Auferstanden aus Tresoren
■ Mit Münzsonderprägungen aus der alten DDR läßt sich heute bei Auktionen reichlich Profit machen
Mit Münzsonderprägungen aus der alten DDR läßt sich heute bei Auktionen reichlich Profit machen. Von TORSTEN PREUSS
E
ine der Lieblingsbeschäftigungen staatlicher Propagandisten in der alten DDR war die Behauptung, daß der wahre Kurs der DDR- zur BRD-Mark eins zu eins war. Natürlich wußten sie von Anfang an, daß diese Behauptung so weich war, wie die Währung selbst, denn schließlich konnten sie sich beim illegalen Eintauschen der Binnenwährung an Schweizer Bankschaltern vom realen Marktwert ständig überzeugen. Auch die Bürger ihres Landes taxierten den Wert ihrer ungeliebten „Spaßmark“ eher an der Kaufkraft als an offiziellen Verlautbarungen.
Als sich die DDR mit dem Mauerfall auf den Weg in die Geschichtsbücher machte, hatten die Noch-DDR-Bürger dann auch nichts Eiligeres zu tun, als im letzten Augenblick ihre Buntmetallwährung noch zu versilbern. An den Wechselschaltern der westdeutschen Banken ging der Kurs auf eins zu zwanzig, und der ertauschte Gegenwert in harter Währung wurde meist sofort ins nächste Kaufhaus getragen. Es gab aber auch Leute, die mit ihrem Geld anfingen, Geld zu machen. Das waren diejenigen, die all die Jahre als Münzsammler fleißig alles, was in der DDR geprägt wurde, zu Hause stapelten, und für die mit dem Ableben des Staates DDR die große Stunde schlug.
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ei Heinz Senger, Münzauktionär in Berlin-Tempelhof, ging die Tür in seinem Geschäft damals gar nicht mehr zu. Die Sammler nutzten den ersten Grenzübertritt, um ihren Schatz auf seinen Ladentisch zu legen. Gewöhnlich nimmt Herr Senger die ihm angebotene Ware nur in Kommission, versteigert sie dann und streicht seine Prozente ein. Die meisten Kunden aber wollten nicht warten, bis der Hammer fiel. Sie ließen sich den geschätzten Wert ihrer Sammlung bar auszahlen. Bei einer Versteigerung hätten sie vielleicht mehr bekommen, aber es war wichtiger, schnell an das lang ersehnte „Westgeld“ zu kommen. „Mit der dicken Marie in der Tasche gingen sie damals direkt in den nächsten Laden und kauften sich ein neues Auto“, erinnert sich Herr Senger.
Insgesamt hatte die DDR 138 verschiedene Münzen geprägt. Begehrt war nicht das Alltagsgeld, sondern die vielen Gedenkmünzen und Sonderprägungen. Wer sie komplett hatte, verließ den Tempelhofer Laden stolz wie Dagobert Duck: „70.000 Mark war der Rekord, den damals eine Sammlung einbrachte“, erzählt Herr Senger. Die Münzsammler waren in der DDR im „Kulturbund“ organisiert. Über den bekamen sie die Sondermünzen, die nie in den offiziellen Zahlungsverkehr gelangten. Sie waren entweder für den Export bestimmt oder — heute besonders begehrt — für Repräsentationszwecke.
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nterschiede bestehen in der jeweiligen Legierung und deren Qualität. Es gibt „vorzüglich“, „Stempelglanz“ und — das Beste — „Polierte Platte“. Die Prägeanzahl in der DDR lag in vielen Fällen sehr niedrig, und der Nachfrageschub treibt die Preise weiter hoch. Die unterliegen starken Schwankungen, die der Markt bestimmt. Die Gedenkmünze zum 125. Todestag von Karl Friedrich Schinkel 1966 mit einem Nominalwert von 10 Mark Ost geprägt und für diese Summe auch an den DDR-Sammler abgegeben, bringt es heute auf 1.500 Mark West. Eine „Städtemotivmünze“ aus dem Jahr 1974, auf deren Rückseite die Wahrzeichen von sieben DDR-Städten abgebildet sind und die einen Nominalwert von 10 Mark Ost hatte, wird im Münzkatalog mit 5.500 Mark West angegeben. Überhaupt erzielen die Todestagmünzen mehr als beispielsweise die mit den Idolen der Arbeiter- und Bauernmacht. Eine Karl- Marx-Münze aus dem Jahre 1968 wird mit 600, eine von Karl Liebknecht mit 400 Mark West gehandelt. Das nimmt sich gegen andere Größen der deutschen Geschichte relativ bescheiden aus. Die Gedenkmünze zum 225. Todestag von Johann Sebastian Bach, geprägt 1975, füllt da schon eher die Brieftaschen. Von der Version „polierte Platte“ sind nur drei Exemplare bekannt. Wer die besitzt, darf sich schon mal Gedanken machen, was er mit mindestens 20.000 Mark West anfängt.
Eine angenehme Gewinnspanne verspricht auch eine Aluminiummünze aus dem Geburtsjahr der DDR. Wie viele Exemplare von ihr überhaupt noch existieren, ist unbekannt. Der Nominalwert beträgt ganze fünfzig Pfennige, Motiv der Rückseite: „Pflug vor Hüttenwerk“. Bei Hans Senger, immerhin Chef von Deutschlands führendem Münzhaus in Sachen DDR-Geld, ist dieses Stück noch nicht aufgetaucht. Das bedauert er natürlich, denn seine Provision steigt mit dem erzielten Auktionspreis. „Ansetzen würde ich es mit 10.000 D-Mark“, überlegt er. Was am Ende unter dem Strich stehen würde, kann keiner sagen. Zwei konkurrierende Vollblutsammler in einer Auktion, bei der eine solche Münze zu ersteigern ist, könnten jedes Limit sprengen.
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icht nur Münzen versprechen Profit, auch Scheine haben einen Wert, der den, der draufsteht, bei weitem übersteigt. Vor allem, wenn sie zwar die Druckmaschine verlassen hatten, die Portemonnaies aber nie erreichten. 1985 fing die Staatsbank der DDR an, 200- und 500-Mark-Scheine herzustellen. Der riesige Kaufkraftüberhang machte das nötig. Allein es fehlte die richtige Begleitmusik, um die Maßnahme dem Volk als weitere Errungenschaft des Sozialismus zu verkaufen. Die Menschen, so ängstigte sich die SED-Führung, würden mit den Scheinen weniger Erfolg als vielmehr Inflation assoziieren. Also blieb der Tresor geschlossen, und erst nach dem 9. November wurde aus der Papierverschwendung eine Geldanlage. Gehandelt werden die Exemplare heute mit durchschnittlich 2.000 Mark West pro Schein.
Der absolute Renner aber ist aus Gold. Weil jahrelange harte Arbeit belohnt werden mußte, spendierte sich die Führungsetage der SED zum 40. Jahrestag der DDR eine Gedenkmünze in 333 Gold, eingravierte Zeile: „Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt“. Über sie kursierten die tollsten Gerüchte. Eine „Erbmünze wäre sie, die innerhalb der Honecker GmbH von Generation zu Generation weitergegeben werden sollte. Als die erste davon auftauchte, galt das als Sensation, und bei Herrn Senger, der das gute Stück damals versteigerte, herrschte Ausnahmezustand im Geschäft. Jeder wollte sie sehen, aber nur einer konnte sie kaufen. Nominalwert 10 Mark Ost, erzielter Preis 40.000 Mark West. Der Kurs schlägt selbst die kühnste Propaganda.