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Schweinkram in der Popmusik

Endlich einmal was Erfreuliches aus der Welt der Mystiker. Plattdeutsch sprechende Kirchgänger haben erstmals ein gemeinsames Gesangbuch. Dor kummt een Schipp heißt die größte Sammlung plattdeutscher Kirchenlieder seit dem Rostoker Gesangbuch von 1577. Das Liederbuch versteht sich als international und als ökumenisch. Einer der heißesten Songs ist selbstverständlich ein katholischer. Er heißt Maria, Mudder, Königin.

Gegen diesen Titel kann auch der amerikanische Kommunikationswissenschaftler Sut Jhally nichts einwenden. Der gute Professor hat gerade eine Untersuchung zum „inhumanen Bild der Frau in der modernen Popkultur“ abgeschlossen. Dazu hat Jhally ein Demonstrationsband zu Lehrzwecken aus 160 Rockmusik- Videos zusammengeschnitten, in denen spärlich bekleidete oder eindeutig-zweideutig posierende Frauen zu sehen sind. Das 55-Minuten-Werk trägt den Titel Traumwelten: Verlangen, Sex und Macht im Rock-Video. 120 Cassetten davon sind an Lehrer oder Universitäten als Anschauungsmaterial versandt worden. Die können sich jetzt alle davon überzeugen, was für gefährliches Zeug sich die Rock-Fans reinziehen. Tina Turner in kurzem Rock, breitbeinig auf der Bühne; Madonna lustvoll stöhnend — alles Schweinkram, findet der Professor.

Die meisten Szenen stammen aus von MTV gezeigten Videos, und das wiederum findet der Musiksender eine echte Sauerei. Nach deren Meinung verstößt Jhally nämlich gegen die Urheberrechte. Sie haben ihn aufgefordert, die Videos alle wieder einzusammeln und zu vernichten, und im Weigerungsfall rechtliche Schritte angedroht.

Bei uns im sauberen Deutschland herrscht gerade große Aufregung um eine Popversion des Kinderliedes Zehn kleine Negerlein der Aschaffenburger Nachwuchsband „Time to Time“. Wie der Manager des Plattenlabels EMI Electrola, Stefan Trapp, ankündigte, wird der Titel ab Mitte nächster Woche nicht mehr zu kaufen sein. Und das, obwohl die Nachfrage gigantisch ist und die Scheibe gerade den zweiten Platz in der Verkaufshitparade erreicht hatte. Die Zehn kleinen Negerlein seien aber leider als „rassistisch und faschistoid fehlgedeuted worden“, begründete Trapp seine Entscheidung. Neben dem Wort „Negerlein“ hatte vor allem die Schlußstrophe heftigen Anstoß erregt. Darin heißt es: „Ein kleines Negerlein, das hatte einen steh'n, es schnappte sich 'ne geile Braut, da waren's wieder zehn.“ Karl Wegmann

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