: LPG-Erben haben dicke Schulden
Agrarminister tagten ohne Kiechle/ Schnelle Entschuldung der Betriebe gefordert/ Milliarden fehlen ■ Aus Dresden Detlef Krell
Da saßen sie nun, die Landwirtschaftsminister der fünf neuen Bundesländer, und warteten vergeblich darauf, ihrem obersten Chef eine Wunschliste überreichen zu können. Doch Bundeslandwirtschaftsminister Ignaz Kiechle ließ sich am Freitag nicht in Dresden bei seinen Landeskollegen sehen, sondern schickte seinen Staatssekretär Gottfried Haschke. Und der konnte weitgehend Unverbindliches notieren.
Die Landesagrarminister appellieren an Bonn, die Ziele der „deutschen Agrarpolitik neu zu formulieren“. Allein in Sachsen erwartet Minister Rolf Jähnichen (CDU) 520 Anträge auf Entschuldung mit einem Volumen von etwa einer Milliarde Mark. Ingesamt etwa fünf Milliarden Mark werden für alle Entschuldungsanträge in der Ex-DDR benötigt. Die wirtschaftliche Misere trifft landwirtschaftliche Großbetriebe ebenso wie kleinere Einzelbetriebe. Bislang stehen allerdings nur 1,4 Milliarden Mark, ein Fünftel der benötigten Summe, in Bonn zur Tilgung der Altschulden bereit. Der Rest müsse mit Bonn „noch verhandelt werden“, sagte Sachsens Landwirtschaftsminister Jähnichen. Allerdings, so schränkte er ein, sollten die auf Entschuldung bestehenden Landwirte erst einmal nachweisen, daß sie zur Sanierung fähig seien. Sein brandenburgischer Amtskollege habe geäußert, daß etwa 40 Prozent der Betriebe kein tragfähiges Sanierungskonzept anbieten und damit nicht mehr existenzfähig sein könnten, sagte der Minister.
Als Skandal bezeichnete Jähnichen die Situation auf dem Milchmarkt. Den Schwarzen Peter schob er der verarbeitenden Milchindustrie zu. Die Molkereien wälzten ihre betrieblichen Probleme auf die Bauern ab. Deren größter Kummer bleibt der Milchpreis, der zwischen 43 und 57 Pfennig pro Liter liegt. Um kostendeckend zu arbeiten, bräuchten die Bauern einen garantierten Abnahmepreis von 60 Pfennig, sagte Jähnichen.
Nach Informationen des 'Landwirtschaftlichen Wochenblatts‘ faßt der Milchsee in Sachsen bereits zehn Tagesproduktionen — 2.000 Tonnen H-Milch finden keine Abnehmer. Zwar hat die Dresdner Sachsenmilch mit westlicher Hilfe eine moderne Milchanlage aufgebaut, aber noch immer müssen nach Meinung des Landwirtschaftsministers einheimische Unternehmen betteln, um in Supermärkten „gelistet“ zu werden, oder andere, eigene Wege gehen, wie zur wöchentlichen Verkaufsdemo des Neuen Forums.
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