: Sonnag: Grinsen unterm Zirkuszelt
■ Manu Dibango und Working Week im Tempodrom
Die Softjazzer Working Week als Vorgruppe der Band des Afrikaners Manu Dibango zu präsentieren, das versprach am Pfingstsonntag einen angenehmen Konzertabend im Tempodrom. Die schon kurz nach ihrer Geburt 1984 totgeglaubten Working Week, die damals neben so faden Frauen wie »Smooth Operator« Sade zum Jazzrevival bliesen, erleben 1991 ihren zweiten Frühling. Simon Booth und Saxophonist Larry Stabbins, Erfinder der »Arbeitswoche«, haben eine neue Sängerin eingestellt. Die verhauchte Stimme Julie Roberts wurde durch Eyvon Waites Organ ersetzt.
Pünktlich zum neuen Jazzrevival und mit den obligaten »HipHopern und Rappern aus London« stehen Working Week wieder auf der Bühne. Hatte man vor dem Konzert noch gewettet, welche Band wohl langweiliger sein würde, wobei Working Week klarer Favorit vor Manu Dibango waren, schnellte die Quote mit zunehmender Konzertdauer nach unten. Working Week enttäuschten die Erwartungen und waren überhaupt nicht richtig langweilig. Nicht nur wegen des schwarzen BHs, der den Ringeroberkörper der Sängerin unter einem durchsichtigen Hemd zusammenhielt. Nicht nur wegen Larry Stabbins, der früher gern im eleganten Anzug posierte, heute dagegen ein ravemäßiges, zu weites T-Shirt bevorzugt. Nein, auch wegen der Musik.
Stabbins bläst tatkräftige Saxophon-Soli, wilder und expressiver als früher, Eyvon Waites singt stimmgewaltiger, als die Vorgängerin es sich getraut hätte und die HipHoper hiphopen engagiert. Mit ein wenig mehr Mut zum Risiko, könnten Working Week es fast zu einer Mischung aus Living Colour und den rhythmisch radikalen Holländern Urban Dance Squad bringen. Um aber die alten Fans nicht zu verprellen legen Working Week immer wieder schnell einen Gang zurück, wenn es ihnen scheinbar zu bunt wird. Als Ex-Cocktail-Jazzer plötzlich den Leuten die Drinks aus dem Glas schwappen zu lassen, ist ihre Sache denn doch nicht. Erst zum Ende ihres Dreiviertelstunden-Gigs tauen sie richtig auf, spielen so frei und so gut wie sie es immer könnten, wenn sie ihr leidiges Softimage endlich über Bord werfen würden.
Nach der Umbaupause dann die Band des Saxophonisten Manu Dibango. Der Mann aus Kamerun, der in den letzten zwanzig Jahren chamäleonhaft afrikanische Musik mit Jazz, Reggae, und Funk zum Soul Makossa transformierte, schickt seine Band zunächst allein vor. Zwei Stücke lang läßt er sich bitten, zunächst durch eine ordentlich schnulzig gesungene Ballade, dann durch einen Rhythmusteppich, dem genau er noch zu fehlen scheint. Solche Intros, die immer erstmal mitteilen, wer denn nun der Chef ist und sich als Star fühlen darf, verheißen meist nichts Gutes.
Als Dibango dann endlich betont locker auf sein Mikrophon zutänzelt, breit und einnehmend lächelnd, ist er ganz er selbst — der Chef. Manu Dibango '91, eine Mischung aus Nachtclubbesitzer und Guerillachef. Auch das wieder eigentlich eine Nebensächlichkeit, wenn nicht die Musik sich dem Ambiente perfekt anpassen würde. Zunächst freut man sich noch über ein unterkühltes, aber hübsch phrasiertes Solo Dibangos, über das damit gut harmonierende Trompeten- und Flügelhornspiel eines jungen Musikers aus Johannesburg (den Namen versteht man bei Dibangos Ansage leider nicht), und über die vielköpfige Rhythmusgruppe. Spätestens mit dem Titelstück seiner neuen Platte Polysonik aber, verflacht der Sound zunehmend. Es wird zunehmend seichter. Dibangos Grinsen kommt einem plötzlich nicht mehr freundlich sondern feindlich vor. Der lacht uns aus, sagt mein verzweifellter Nachbar, der immerhin 37 Mark für den Eintritt in die künstliche Welt Dibangos gezahlt hat. »Uuuuuuh Makossa« singen seine buntgewandeten Tänzerinnen. »Uuuuuuuh Dibango« singen wir zurück.
Als das gräßliche Schauspiel auf der Bühne endlich ein Ende hat, verlangt das Publikum lautstark nach einer Zugabe, um doch noch den Abend und das Eintrittsgeld zu retten. Dibango aber tut das erste Mal an diesem Abend das Richtige: Er kommt nicht wieder. Andreas Becker
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen