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Streitpunkt Homo-Ehe: Freie Liebe oder Standesamt für alle

Die Ehe ist fraglos eine besonders schlaue Erfindung des Patriarchats. Sie geht direkt zurück auf den Frauenraub, den sie legitimiert. Ersonnen von Männern, um Männern die Dienste von Frauen unbezahlt ein Frauenleben lang zu sichern: Die Nachkommenschaft und deren Aufzucht, sowie die gewaschene Unterhose, die gescheuerte Kloschüssel und das Bier im Kühlschrank.

Treulich geführt, bis daß der Tod... Unter Männern, egal, welche Partei sie alle vier Jahre wählen, heißt das: teile und herrsche. Denn die Ehe ist ein Spaltpilz. Der Anfang der Scheidung. Sie teilt die Frauen auf in gute und schlechte, in Frauen, die einen abbekommen haben, und in alte Jungfern (womöglich lesbisch!). In Frauen, deren Kinder unter dem moralisch blitzsauberen Dach der Ehe geboren wurden, und in gefallene Mädchen und Herumtreiberinnen; — heute in den Großstädten westlicher Länder „alleinerziehende Mütter“ genannt. Immerhin, da hat sich was verändert.

Frauen, die von Männern unterdrückt und ausgebeutet, waren — nein: sind ja immer noch überall auf der Welt, von Phnom Penh bis Pinneberg, darauf angewiesen, geheiratet zu werden, um einen scheinbar besseren Status zu erlangen; den der Ehefrau. Da ist sie was Rechtes. Doch erst durch ihr Ja-Wort fürs Leben liefert sie sich endgültig dem Mann aus. Dafür muß er für sie sorgen — und tut es meist nicht einmal. Was also liegt näher als die Ehe endlich abzuschaffen? Wenn wir schon nicht die Männer abschaffen können. Fordern wir: Keine Ehe für alle!

Aber läuft denn unter den Deckeln alternativer Beziehungskisten wirklich alles anders? Männer brauchen nicht einmal die Ehe, um sich selbstverständlich bedienen zu lassen. Und Frauen dienen auch ohne Trauschein. Mag sein, daß die Institution Ehe prägend ist. Aber am Ende ist sie doch bloß eine Form, die individuell gebraucht oder mißbraucht werden kann. Es gibt in der Tat immer noch Gesetze im Eherecht, die Abhängigkeit und Unmündigkeit der Frau zementieren. Die müssen gestrichen oder verändert werden. Ja, gerade dort, wo das Eherecht geschlechtsspezifisch ungerecht und knebelnd wirkt, ist es da nicht am nachhaltigsten zu erschüttern, indem wir die Ehe allen öffnen? Mann und Frau: Sie werden schon sehen, was sie davon haben. Frau und Frau: Sie könnten verändern und neu gestalten, was wir bislang alle unter „Ehefrauen“ verstanden haben.

Wenn alle Menschen heiraten dürfen — ein Schwarzer einen Weißen, eine Jüdin eine Christin — wenn es die Freiheit der Wahl gibt, die Freiheit der Liebe, dann endlich kann die Institution der Ehe ihre Unanständigkeit verlieren. Nicht dadurch, daß wir sie allen verbieten. Sondern: daß wir sie allen öffnen. Die Ehe als gesellschaftliche Form. Es ist absolut unwichtig, ob die beiden Menschen, die sich unter ihr Dach begeben, auch miteinander schlafen. Es könnten ebensogut zwei Menschen sein, die für gemeinsame oder adoptierte oder in Pflege genommene Kinder sorgen: Zwei Erwachsene und drei Kinder. Vielleicht auch drei Erwachsene und zwei Kinder. Die Ehe macht aus, daß sie füreinander sorgen und sich verantwortlich empfinden. Leben sie mit Kindern, soll und mag die Gesellschaft ihnen steuerlich helfen.

Nicht aber kann es angehen, daß zwei Menschen, die sich lieben, nicht füreinander einstehen dürfen, ja, mutwillig getrennt werden, weil die Gesellschaft findet, daß eine lesbische Frau nicht ihre Liebste im Krankenhaus besuchen darf oder daß ein deutscher Schwuler seinen Liebsten aus Mozambique nicht in dieses reiche Land retten darf. Und das sind nur zwei von vielfältigen Vorrechten für Ehepaare; auch kinderlose Ehepaare.

Bei entsprechender Gesetzgebung ginge das alles auch ohne die Ehe? Schon möglich. Und dennoch: Es ginge nicht ohne die Ehe. Denn nicht die Beliebigkeit ist Toleranz, sondern das andere an andern zu achten. Es mag vor taz-LeserInnen reaktionär erscheinen, für das Recht auf Ehe zu plädieren. Wahrscheinlich sind auch die meisten taz-LeserInnen nicht verheiratet. Und wenn, dann „nur wegen der Steuern“. Nicht der schlechteste Grund übrigens. Sie könnten, wenn sie wollten. Sie können sogar: nicht wollen. Ich aber habe etwas dagegen, daß eine bestimmte Gruppe von Menschen einer bestimmten Gruppe von Menschen verbietet, zu heiraten. Lesben und Schwule sind nicht darum anders, weil sie nicht heterosexuell leben. Und auch nicht darum, weil sie von Heterosexuellen als anders angesehen werden. Lesben und Schwule sind überhaupt nicht anders. Aber unter uns gibt es viele, die anders sind als andere, die heiraten möchten. Weil sie Rituale in ihrem Leben brauchen und lieben. Weil sie einen bestimmten Rahmen für ihre Liebe suchen und wünschen. Gerade den Rahmen, in dem sie unerwünscht sind, gerade diesen. Nur, weil homosexuelle Menschen eine andere (im herkömmlichen Sinne) Sexualität leben als Heterosexuelle, sind sie deshalb noch lange nicht: nicht spießig, nicht reaktionär, nicht kleinkariert, nicht ganz versessen auf das Happyend, auf das kleine Bürgerglück zwischen zwei Nachtschränken und der Bettumrandung. Warum auch nicht?

Daß wir davor bewahrt werden sollen, heiraten zu können, dieser Wunsch des Lesbenrings e.V. verhängt nur schlecht sehr fragwürdiges Elite-Denken. Aber die öffentliche Trauung homosexueller Paare, die standesamtliche Legitimation dieser Verbindung, die gesellschaftliche Akzeptanz dieser Liebesbeziehung würde vieles abbauen: Bei den Heterosexuellen Vorurteile und Verachtung, bei den Homosexuellen Angst und Selbsthaß.

Keine Ehe für alle? Das wäre nichts. Das wäre noch weniger als nichts. Verändern wir die gesellschaftlichen Umstände, die Frauen heiraten oder sich an einen Mann hängen lassen, weil sie sich dann versorgt glauben. Aber geben wir doch nicht der Ehe an sich die Schuld, wenn sie zur Lebensfalle für heterosexuelle Frauen wird. Es soll heiraten können, wer heiraten möchte. Und: Ohne Ehe gäbe es keine alternativen Lebensformen, weil ohne Kontrast kein Programm. Ich möchte nicht heiraten. Für mich ist die Ehe eine heterosexuelle Lebensform. Ich möchte lesbische Lebensformen suchen. Ich möchte mich nicht assimilieren. Aber ich verstehe den Wunsch nach dieser Sicherheit, nach dieser Ordnung, den auch (und wegen der Ächtung vielleicht gerade) homosexuelle Menschen haben. Nicht die Abschaffung der Ehe löst feministische Knoten. Aber die Öffnung der Ehe für lesbische und schwule Paare könnte das Patriarchat aus einer seiner Angeln heben und wiederum dadurch die Ehe so umgestalten, daß sogar Jutta Osterle- Schwerin diesen Hafen ein zweites Mal ansteuern könnte. Dann aber endlich mit einer Frau!

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