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Streitpunkt Homo-Ehe: Freie Liebe oder Standesamt für alle

Lange waren sich nicht nur viele Feministinnen einig, die Ehe muß abgeschafft werden. Die lesbisch-schwule Bewegung klagt nun immer selbstbewußter die rechtliche Gleichstellung von homosexuellen und heterosexuellen PartnerInnenschaften ein, darunter auch das Recht auf den Trauschein. Warum wollen Frauen ihre Liebste aufs Standesamt und Männer ihren Freund vor den Altar führen? Ist die „Homo-Ehe“ ein Schritt zur Antidiskriminierung von Lesben und Schwulen oder ein zwangsheterosexistischer Fallstrick? ro und Contra von zwei bekannten Verfechterinnen lesbischer Rechte:die „Zeit“- und „Emma“-Autorin Viola Roggenkamp und Jutta Oesterle-Schwerin, Ex-Bundestagsabgeordnete der Grünen und Sprecherin des Lesbenring e. V.  ■ Von Jutta Oesterle-Schwerin

Contra aus Ulm

Die Homoehe hat tatsächlich Konjunktur bekommen. Nicht nur 'Bild‘ ist auf „unserer“ Seite. Die grüne Reala Biggi Bender verspricht der Partei, sich dafür einzusetzen, und Cornelia Scheel, die erst neulich eine einmalige Chance vergeben hat, gegen ihre offene Diskriminierung als Lesbe am Arbeitsplatz gerichtlich vorzugehen, stellt sich nun mit Hella von Sinnen an die Spitze dieser Kitsch-Kampagne. Ich selbst führte vor kurzem ein Streitgespräch mit einem lesbischen Liebespaar. Die jungen Frauen wollten mich davon überzeugen, mich politisch für ihren Heiratswunsch einzusetzen.

Ihre Frage, was ich denn tun würde, wenn es in der BRD Schwarzen oder TürkInnen verboten wäre zu heiraten, brachte mich kurzzeitig in echte Verlegenheit. Ich gewann jedoch schnell wieder Fassung: Natürlich würde ich mich mehr oder weniger intensiv dafür einsetzen, daß Minderheiten in diesem Lande all das tun dürfen, was anderen gestattet ist. Der Schwerpunkt dieser Aussage liegt jedoch auf mehr oder weniger. Als Atheistin einen Kampf für die Baugenehmigung einer Moschee zu führen, bloß weil es auch Kirchen gibt, oder mich als Pazifistin für die Aufnahme von Frauen in die Bundeswehr zu engagieren, das ginge zu weit. Nur wer grundsätzlich der Auffassung ist, die Ehe sei eine Einrichtung, die dem Glück von Frauen dienlich ist, sollte sie auch für Lesben fordern.

Von allen gängigen Argumenten für die Homoehe versteiften sich meine Gesprächspartnerinnen auf das irrationalste, dem mit rationalen Argumenten nur schwerlich begegnet werden kann: Sie forderten die Ehe im Namen der Liebe. Nur wenn ich mit ihnen zusammen für die Ehe kämpfte würde ich ihre Liebe ernst nehmen. Warum die Liebe der Ehe bedarf, wagte ich nicht mehr zu fragen.

Es gibt aber noch andere Argumente, mit denen die ProtagonistInnen der Homoehe durch die Lande ziehen: Ausführlich zählen sie sämtliche Benachteiligungen auf, denen lesbische und schwule Lebensgemeinschaften, da sie nicht heiraten können, ausgesetzt sind: Fehlen des Zeugnisverweigerungsrechts, Besuchsrecht im Knast oder in der Psychiatrie, die Unmöglichkeit, Aufenthaltsrecht und Arbeitserlaubnis für die ausländische Partnerin zu bekommen, Benachteiligungen beim sozialen Wohnungsbau, bei der Besteuerung, beim Erbrecht etc. Sie vergessen dabei stets, daß es sich bei einem Teil der Benachteiligungen gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften in Wirklichkeit um verwehrte Privilegien handelt, die schon Verheiratete zu Unrecht genießen. Bei einem anderen Teil geht es um elementare Rechte. Diese müssen allerdings für alle Menschen, unabhängig von ihrem Familienstand, eingefordert werden.

Wie realistisch ist die Einführung der Homoehe eigentlich? In Europa wurde sie bislang in Dänemark und Schweden eingeführt. Die Möglichkeit, Kinder zu adoptieren, bleibt Lesben und Schwulen allerdings auch dort verwehrt. Gerade dieses Verbot darf aber nicht bagatellisiert werden. Schließlich wird hierdurch zum Ausdruck gebracht, daß auch bei weitestgehender Toleranz die Gesellschaft ihr kostbarstes Gut, nämlich ihre Nachkommenschaft, vor uns schützen muß. Da kaum anzunehmen ist, daß sich die BRD weiter vorwagt als das schon etwas progressivere Skandinavien, können wir also auch hier höchstens mit der Ehe zweiter Klasse rechnen. Dies wäre aber eher kontraproduktiv, würde doch das Vorurteil der Unfähigkeit Homosexueller, zu erziehen, zum ersten Mal gesetzlich manifestiert.

Dies heißt natürlich nicht, daß ich die Forderung nach der Homoehe unterstützen würde, wenn wir die Chance hätten, sie erster Klasse zu bekommen. Ich halte es für einen Trugschluß, daß die Einführung der Heiratserlaubnis oder, wie manche meinen, schon der offensive politische Einsatz dafür, die gesellschaftliche Akzeptanz erhöhen und der Diskriminierung der Homosexualität entgegenwirken würde. Bleiben Schwarze für ihre Feinde nicht auch dann „Neger“, wenn sie gebildet sind und reich, wenn sie ihre Nasen operieren und ihr Kraushaar glätten? Und wie wirksam war die Assimilation der Juden?

Durch die Begründung der Forderung nach Ehe mit fehlenden Rechten und Vorrechten wird unhinterfragt zum Ausdruck gebracht, daß es grundsätzlich richtig ist, verheiratete Paare unverheiratet zusammenlebenden und Alleinstehenden gegenüber zu bevorzugen. Von Mehrfachbeziehungen oder anderen Zusammenhängen, wie auf Dauer angelegte Wohn- und Lebensgemeinschaften, ganz zu schweigen.

Unhinterfragt bleibt auch die grundsätzliche Position zur Ehe und der repressiven Funktion, die sie Frauen gegenüber in der patriarchalen Gesellschaft ausübt. „Was geht uns das an?“ wird sich manch eine jetzt fragen, „Hier geht es schließlich um die Ehe für Lesben.“ Auch Lesben wären nicht gefeit gegen die Mechanismen einer Institution, deren Grundkonzeption auf Ungleichheit und Abhängigkeit beruht. Die Ehe ist stets ein Bund zwischen Ungleichen, in dem der Stärkere stärker und die Schwächere schwächer wird. Ausnahmen bestätigen die Regel. Das wäre auch bei Ehen unter Lesben nicht anders, wenn sie Privilegien in Anspruch nehmen würden, die ökonomische und rechtliche Abhängigkeiten unter den Partnerinnen schaffen. Was macht zum Beispiel die angetraute Ausländerin, wenn ihre Lesbenehe auseinandergeht? Ein Aufenthaltsrecht, das nur kraft Eheschließung erlangt worden ist, erzeugt ein Abhängigkeitsverhältnis, das weit schlimmer sein kann als die ökonomische Abhängigkeit.

Letztere ist übrigens die absolute Voraussetzung für die Erlangung der steuerlichen Privilegien. Heiraten „lohnt“ sich finanziell erst dann, wenn eine der beiden Partnerinnen ein wesentlich niedrigeres Einkommen hat als die oder der andere. Andernfalls muß unter Umständen sogar „draufgezahlt werden“.

Nein, der Ruf nach der Homoehe ist keine emanzipatorische, sondern eine assimilatorische Forderung. Assimilation heißt in diesem Fall, höflich darum zu bitten, uns anpassen zu dürfen. Emanzipation hieße dagegen, die lesbische Lebensweise endlich als das anzunehmen, was sie eigentlich ist — eine der möglichen Widerstandsformen gegen die patriarchale Gesellschaftsordnung.

Tatsächlich ließe sich ein großer Teil der Benachteiligungen, die übrigens alle Unverheirateten treffen, durch die Abschaffung der materiellen Privilegien der Ehe und durch die Änderung einer Reihe von Einzelgesetzen beseitigen. Einige Probleme lassen sich schon heute individuell durch das Abschließen notarieller Verträge zu einzelnen Punkten oder durch die Ausstellung von Verfügungen und Vollmachten regeln.

Manches wird allerdings auch ungelöst bleiben. Lesbisches Leben verspricht nun mal nicht die „Sicherheit“ und die „Ordnung“ der Familie Mayer von nebenan. Dafür haben wir, stärker als andere, die Chance auf ein autonomes Frauenleben, frei von ökonomischer Abhängigkeit und männlicher Dominanz — zumindest im privaten Bereich.

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