: Seven Painters Painting
■ Amerikanische Gegenwartskunst in München
Also den kennt man. Spätestens seit der documenta8. Da durfte Eric Fischl mit seiner vordergründig realistisch anmutenden Malerei eine Tendenz der amerikanischen Gegenwartskunst dokumentieren: Die Tendenz, der eingeschriebenen Beliebigkeit minimalistischer Kunst mit neuen images zu begegnen. New Image Painting: Das meinte neue Bilder, neue Symbole, neue Zeichen. Und die eindeutige Abgrenzung gegen das, was vorher war.
Eric Fischl also kennt man. Aber wer bitte ist Jennifer Bartlett? Schon mal was von Neil Jenney, Carroll Dunham, Elizabeth Murray gehört? Nein? Kein Wunder: Einzelausstellungen von ihnen gab es in Europa nur wenige, in Deutschland fast keine. So auffällig sich Kunst-Europa in den achtziger Jahren auf sich selbst konzentrierte, so sehr geriet Kunst-Amerika in den Hintergrund. Die Tendenzen, die jetzt die Münchner Ausstellung zu zeigen versucht, bleiben beinahe unbeachtet. Die betont subjektive Auswahl der Exponate spielt keine Rolle: Von Jennifer Bartlett bis Terry Winters begegnen sich in den Werken europäische und amerikanische Entwicklungen und gehen eine Symbiose ein. Mit bisweilen erstaunlichen Ergebnissen.
Wenn es eine erkennbare Klammer zwischen den in der Staatsgalerie Moderner Kunst ausgestellten Sieben Amerikanischen Malern gibt, dann ist es der Abschied von Minimal- und Pop-Art-Konzeptionen. Doch die persönlichen Vorlieben der Künstler spiegeln sich in gänzlich unterschiedlichen Ansätzen.
Und die müssen nicht immer gegenständlich sein wie bei Fischl. Bei Elizabeth Murray sind nicht nur die Themen eindeutig uneindeutig. Ihre Bilder sprengen tatsächlich den Rahmen: Die Leinwand ist keine plane Fläche, sie wuchert über die Wände, wird zerschnitten und neu zusammengefügt. Das erinnert an Frank Stellas shaped canvas: geformte Leinwände, die im Wortsinne auch Träger der Bildaussage sind. Doch anders als bei Stella birgt die Kunst der Elizabeth Murray immer auch Reste von angedeuteter Gegenständlichkeit. Ihre Abstraktionen spielen mit Wirklichkeitsfragmenten.
Labyrinth etwa ist mehr Objekt denn Gemälde: Ein beinahe drei Meter hohes, biomorphes, sackartiges Gebilde läuft nach unten in einen Trompetentrichter aus. Die giftigen Grün- und Gelbtöne außen und das kühle Blau im Innern des Objektes verstärken die räumliche Wirkung. Schlangen schauen aus einer schreinartigen Öffnung, aus dem Trichter, finden sich als Muster auf dem Äußeren des Gebildes wieder. Dem gemalten, geformten Labyrinth kann nur eine labyrinthische Deutung gerecht werden.
Sexuelle Phantasien? Komprimierte Orientierungslosigkeit? Hier werden keine Meinungen präsentiert, keine Interpretationsmuster vorgegeben: Die Toleranz der Künstlerin dem Betrachter gegenüber grenzt aufreizend an Indifferenz.
Zwischen Black Blocks und Blue U-Turn von Susan Rothenberg liegt nicht nur ein Jahrzehnt. Dazwischen liegt auch der Weg von einer beinahe meditativen Flächigkeit über eine deutlich gesteigerte Autonomie der Farbe bis hin zu einer zunehmenden Bildtiefe. Black Blocks (1977): Die Kontur eines Pferdes, eindimensional, gemalt auf einem unplastisch roten Grund, erinnert in seiner Schlichtheit an die Höhlenmalereien Nordspaniens. Die kontemplative Ruhe wird allein gestört von einigen schwarzen Balken, die die Konturen des Pferdes gliedern: dynamisierte Archaik.
Blue U-Turn (1989): Eine abstrakte Figur in leuchtendem Blau, gebogen zu einer die Grenze von Imagination und Realität auflösenden U-Form. Der blauschwarze Hintergrund schafft einen diffusen Seins-Raum. Davor wirkt die allein aus Farbe modellierte Figur wie die Geburt der Dimensionen aus der Eindimensionalität. Abstrahierender Impressionismus: Vielleicht kann man Susan Rothenbergs Malweise so am ehesten habhaft werden.
Ganz anders Carroll Dunham. Seine zuletzt schreiend bunten Bilder schauen aus, als habe ein Kandinsky der neunziger Jahre New Yorker U-Bahn-Wagen mit seiner Graffiti- Kunst überzogen. Shape with Puddle, Shape Straddling Colored, Shape Standing on Itself: Der Ausdruck der Form, der aus der Farbe entsteht, ist Dunhams Programm. Der Betrachter erkennt Körperformen, eindeutig identifizieren lassen sich allein phallische und vaginale. Dunhams Bilder fordern zu Entdeckungsreisen auf. Sie sind nicht mit einem Blick zu erfassen, nicht symbolisch, nicht konkret: aber auch nicht wirklich abstrakt. Und eines sind sie gewiß: Der heiterste Beitrag zu der Ausstellung Sieben Amerikanische Maler.
Die kleine Präsentation in der Staatsgalerie Moderner Kunst ist sehenswert, weil sie sich erreichbare Ziele steckt. Einen Ausschnitt zeigen aus der amerikanischen Kunst der achtziger Jahre: Das wollte sie, und das gelingt ihr zweifellos. Sieben Amerikanische Maler demonstriert, daß die selbstverliebte Konzentration der Europäer auf ihre Kunst sich durch nichts rechtfertigen läßt.
Eines aber wird ebenso klar: Der Versuch, der Beliebigkeit der Minimal-Art zu entkommen, fordert seinen Preis. Zwar wird die Unverbindlichkeit des Einzelwerkes zugunsten einer zunehmenden Inhaltlichkeit relativiert. Doch die Unverbindlicheit des Nebeneinanders gleichberechtigter, höchst unterschiedlicher Stilformen nimmt dagegen fast inflationär zu. Die Ausstellung ist der schönste Beweis dafür, daß das im Gehalt inzwischen gegen Null tendierende Schlagwort der achtziger Jahre so falsch nicht war: Sieben Amerikanische Maler ist auch ein Dokument der Postmoderne. Jörg Rheinländer
Die Ausstellung Sieben Amerikanische Maler in der Münchner Staatsgalerie Moderner Kunst ist bis zum 2.Juni zu sehen. Der Katalog kostet 28 DM.
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