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Südkorea: „Keine Zugeständnisse“

Trotz Demonstrationen von Hunderttausenden: Südkoreas Regierung stellt sich stur/ Demos für den zu Tode geprügelten Studenten von der Polizei mit Tränengas unterbunden  ■ Aus Seoul Peter Lessmann

Am Wochenende sorgte in Südkorea ein Dokument für Aufregung, das die regierungskritische Tageszeitung 'Hangyoreh Shinmun‘ veröffentlicht hatte. Danach sollte, so eine Anweisung aus dem Verteidigungsministerium, das Militär in Alarmbereitschaft versetzt und für den Einsatz gegen Demonstranten trainiert werden. Dies wies das Ministerium jedoch zurück und bezeichnete die Übungen als einen ganz üblichen Militärdrill — Vorbereitung für „chaotische innenpolitische Zustände“ und eine Intervention Nordkoreas.

Am vergangenen Samstag jährte sich zum elften Mal die blutige Niederschlagung des Bürgeraufstandes von Kwangju, bei dem damals offiziellen Angaben zufolge fast 200 Menschen getötet wurden. Dieser Tag war zugleich Höhepunkt der seit drei Wochen anhaltenden Demonstrationen gegen die Regierung des Präsidenten Roh Tae Woo. Über 200.000 Menschen waren auf die Straße gegangen und forderten den Rücktritt der Regierung. Zwei weitere Selbstverbrennungen — eine in Seoul verlief tödlich — sorgten für zusätzliche Emotionen.

Doch die Regierung bekräftigte ihre Position: keine Zugeständnisse an Oppositionelle. Der Marsch der Demonstranten in die Seouler Innenstadt, um dort eine Trauerzeremonie für den vor drei Wochen zu Tode geprügelten Studenten Kang Kyong Dae abzuhalten, wurde mit Tränengas unterbunden. Es kam zu den bekannten Straßenschlachten zwischen Studenten und der Polizei. Gleiche Bilder einen Tag später in Kwangju, wo sich Zehntausende dem Trauermarsch für den Hochschüler Kang anschlossen. Und dort, so berichteten Augenzeugen, hätten zehn Polizisten einen Arbeiter schwer zusammengeschlagen und lebensgefährlich verletzt, ein möglicherweise folgenschwerer Zwischenfall.

Obwohl Hunderttausende demonstrieren, steht Südkoreas Regierung nicht vor dem Zusammenbruch. Anders als bei der Demokratisierungsbewegung von 1987, die den Sturz des Ex-Diktators Chun Doo Hwan zur Folge hatte, beteiligen sich die BürgerInnen nicht an den Protesten. Sie sind abgeschreckt von den unklaren Zielen und dem leidenschaftlichen Kampf der Studentenaktivisten. Und darauf setzt die Regierung. Doch etwas tun sollte Staatschef Roh Tae Woo schon, verlangen inzwischen auch die Abgeordneten seiner Partei in seltener Einmütigkeit.

Und so werden in den nächsten Tagen auch Maßnahmen erwartet, die die Öffentlichkeit beschwichtigen sollen. Über 900 Häftlinge sollen am heutigen Dienstag, einem Feiertag, die Freiheit wiedererhalten. Auch einige politische Gefangene würden in den nächsten Tagen freikommen, verlautete aus dem Justizministerium. Gleichzeitig erließ die Staatsanwaltschaft wieder Strafanzeigen gegen über 100 Organisatoren der Demonstrationen.

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