: Bademode beim Friseur
Die Besucher des Florida-Seebads Neptune Beach müssen sich diesen Sommer warm anziehen. Während blanke Busen ohnehin im ganzen Staat verboten sind, richten sich die prüden Augen der Stadtväter von Neptune Beach in der kommenden Saison auch auf Frauen im Tanga oder mit ähnlich knapper Bademode. Ihnen droht künftig eine Haftstrafe bis zu einem Jahr.
Zu den Initiatoren der neuen Verordnung gehört Vanya Gwaltney, die mit anderen Verklemmten 1.100 Unterschriften für ihr mittelalterliches Anliegen sammelte. „Ich werde furchtbar wütend, wenn Leute ihren bloßen Hintern vor meinen Kindern herschwenken und sich dann hinter dem ersten Zusatz zur Verfassung verstecken“, ereifert sie sich. In dem ersten Zusatzartikel zur amerikanischen Verfassung ist unter anderem die Meinungs- und Versammlungsfreiheit garantiert. Bürgermeister John Kowkabany findet es ebenfalls völlig in Ordnung, Tanga-Mädchen künftig in den Knast zu schicken: „Ich sehe nichts Verwerfliches darin, die Leute am Strand und in der Welt wissen zu lassen, daß wir in der Achtung der Familienwerte führend sein wollen.“
Für den weltfremden Bürgermeister dürfte die sittliche Hölle in Australien liegen, und zwar exakt in Fionas Herrenfriseurladen in Marion, einem Vorort von Adelaide. Dort beschäftigen sich seit letzten Donnerstag Oben-ohne-Friseusen mit der Pflege des männlichen Kopfhaars. Die Frauen erhalten das dreifache des Tariflohns. Der einfache Harrschnitt ist mit rund 35 Mark etwa doppelt so teuer wie üblich.
Am Eröffnungstag ging das Geschäft glänzend. Bedient werden nur Erwachsene, und ein Sprecher des Salons versicherte, daß man dafür gesorgt hätte, daß die Kunden ihre Hände stillhalten. Eingeführt wurde der neue Dienst am Kunden wegen der wirtschaftlichen Flaute in der australischen Stadt, versichert der Sprecher. Gar nicht begeistert von der Idee ist die örtliche Konkurrenz. Sie sieht in dieser Neuheit im als „Stadt der Kirchen“ gepriesenen Adelaide eine Entwürdigung des ganzen Friseurstandes. Die Besitzer von „Fiona's Mensworld Hair Design“ sehen das anders, sie verteidigen ihre barbusigen Friseusen mit dem Argument: „Es gibt Oben-ohne- Restaurants und Oben-ohne-Bars, warum also keine Oben-ohne-Friseursalons?“ Na, wenn sie so weiter machen im Land der großen Beuteltiere, dann haben sie auch bald Oben- ohne-Taxifahrerinnen, Oben-ohne- Kindergärtnerinnen, Oben-ohne Polizistinnen... Karl Wegmann
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