: SPD Friedrichshain für Marx und gegen Babeuf
Friedrichshain. Die Karl-Marx-Allee wird zumindest im Bezirk Friedrichshain wohl weiterhin so heißen — jedenfalls wenn es nach dem Willen der SPD-Fraktion in der dortigen Bezirksverordnetenversammlung geht. Die Bezirks-Sozis legten der Presse gestern ein ganzes Paket von Vorschlägen zur Straßenumbenennung vor. Karl Marx, so ihr Fraktionschef Bernd Schömann, »fühlte sich nicht mit dem SED-Regime verbunden«, außerdem habe die Straße, als sie noch Frankfurter Allee hieß, einen anderen Verlauf gehabt. Die Karl-Marx-Allee führt allerdings auch durch den Bezirk Mitte, und dort möchte man den Namen des sozialistischen Stammvaters lieber loswerden. Eine Einigung mit dem Bezirk Mitte ist in dieser Frage allerdings nicht in Sicht, so daß die Karl- Marx-Allee zukünftig womöglich erst ab dem Strausberger Platz so heißen wird.
Umgekehrt hat die Friedrichshainer SPD allerdings auch mit dem Leninplatz ihre Bauchschmerzen. Hier stellt sie zwei Vorschläge zur Diskussion: »Platz der Vereinten Nationen« oder »Robert-Havemann- Platz«. In weiteren Fällen verhält sich die SPD-Fraktion strikt populistisch. Nicht, weil man etwas gegen die Franzosen habe, sondern weil man »dem Willen der Bürger folgen« wolle, sollen einige von der SED »in Nacht- und Nebelaktionen« umbenannte Straßen wieder ihre alten Namen zurückerhalten. Die Babeufstraße soll wieder Rüdersdorfer Straße heißen, die Straße der Pariser Kommune soll in Fruchtstraße zurückbenannt werden, wie man den damals durch ein Anbaugebiet führenden Weg ab 1795 nannte, der Bersarinplatz soll wie schon 1905 Baltenplatz heißen.
Die Kosten der Umbenennung veranschlagt die Bezirks-SPD bei dieser eher kleinen Lösung aufgrund möglicher Regreßforderungen von ansässigen Gewerbetreibenden auf 800.000 bis eine Million Mark. Sie würden auf zwei Millionen ansteigen, wenn auch an der Karl-Marx- Straße neue Straßenschilder angebracht werden müßten, so ihre Schätzung. »Derzeit gibt es wichtigere Aufgaben im Bezirk als Umbenennungen«, kommentierte der Fraktionschef. Es sei doch besser, wenn man »auf neuen Straßen mit alten Schildern fährt, als auf alten Straßen mit Schlaglöchern, aber neuen Schildern.«
Am 4. Juni, 18 Uhr will die SPD ihre Vorschläge im Bezirksamt Raum 301 zur öffentlichen Diskussion stellen, und am 12.Juni sollen sie — mit guten Chancen — in der BVV abgestimmt werden. usche
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