: Brückner und CDU für mehr ÖPNV
■ Podiumsdiskussion zur Verkehrspolitik in der Sackgasse / Vorbild Karlsruhe
Motzen alleine ist keine ausreichende Wahlkampfstrategie. Das mag die CDU gedacht haben, als sie eine illustre Gästeschar zur Fachtagung „Bremische Verkehrspolitik in der Sackgasse?“ einlud. Und so saßen am Mittwoch abend altbekannte Bremer Verkehrsstrategen wie Helmut Plugradt (CDU), der Kirchenbeauftragte für Umweltfragen, Herbert Brückner und der Handelskammersyndikus Dieter Porschen neben dem Informatikprofessor Klaus Haefner und dem Karlsruher Nahverkehrsnestor Dieter Ludwig, um sich an einer Bestandsaufnahme Bremischer Verkehrspolitik zu versuchen.
Trotz aller unterschiedlichen Blickwinkel waren sich von Pflugradt bis Brückner alle einig: Der Ruf nach einem besseren ÖPNV kommt in Bremen viele Jahre zu spät, und die Maßnahmen, die bislang beschlossen wurden, sind bei weitem nicht ausreichend. Ex-Senator Brückner im Rückblick: „Wir haben eine Politik gemacht, die es allen recht machen wollte. Diese Politik ist zu Ende, weil die Straßen voll sind.“ Was also nun?
„Der Verkehr ist das komplexeste sozio-technische Netz, das es je gegeben hat. Dies hat die Verkehrspolitik bislang nicht zur Kenntnis genommen“, dozierte Professor Haefner und vermißte konkretes Handeln als da wäre: mehr und besseren ÖPNV, Mitfahrsysteme für Privatwagen, eine Flexibilisierung des Taxigewerbes. Ganzheitliches Denken, wie es derzeit in den oberen Etagen der Automobilkonzerne beginnt, verlangte der Chef der Karlsruher Verkehrsbetriebe, Dieter Ludwig, und verwies stolz auf seine 265.000 Einwohner zählende Heimatstadt. Dort werden jährlich 50 Millionen Mark für neue Stadtbahntrassen verbaut. „Das, was Sie in Bremen machen, machen wir zwischendurch.“
In Bremen fehle es offensichtlich an Planungskompetenz. „Wir reden immer von erforderlichen Verbesserungen im Osten, aber das scheint bei Ihnen auch notwendig zu sein“, rief er sehr zur Freude der CDU, und fand Unterstützung im Publikum bei Bremens oberstem Straßenbaubeamten, Horst Bullermann. „Was wir jetzt planen, haben wir Anfang der 70er Jahre schon einmal vorgelegt.“ Es habe 10 bis 15 Jahre Zeitverlust gegeben, weil es an politischen Vorgaben gemangelt habe. Bullermann: „Ich kann bei meiner Behörde keine Schuld finden.“
Die wollte ihm Helmut Pflugradt auch gar nicht zuweisen. Die Verantwortung für den verschlafenen ÖPNV-Ausbau sah der CDU-Verkehrspolitiker in dem Durcheinander, daß durch die Aufteilung von Verkehrsfragen auf sechs Senatsressorts entstanden sei. Mit den „Straßenmalereien“ habe der Senat die BremerInnen nur geärgert: „Und wer sich ärgert, steigt nicht um.“
Für diese Einlassungen bekam Pflugradt prompt Ärger mit einem Straßenbahn-Betriebsrat, der sich als CDU-Mitglied zu erkennen gab: „Die Schraffur ist notwendig. Man kann nicht sagen: Wir wollen das Netz ausbauen, aber beschleunigen wollen wir die Bahnen nicht.“ Falls die CDU ihre Kampagne fortführe, „dann steigen wir auch in den Wahlkampf ein, und zwar für die Bürger, die mit dem ÖPNV fahren.“
Das wollte Pflugradt nun auch nicht. „Wir bringen das doch nur polemisch, um deutlich zu machen, daß die Verkehrspolitik verkehrt ist.“ Was den neuen Straßenbahnvorstand, Fels, im Publikum auch nicht überzeugte: „Wo ist ihre Alternative zu den kurzfristigen Maßnahmen?“, lautete seine Frage in Richtung CDU. Eine Antwort bekam er nicht. hbk
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen