: Gorbatschow fordert 100 Milliarden
■ Noch immer ist unklar, ob Gorbatschow an dem Gipfeltreffen der sieben größten Wirtschaftsnationen teilnehmen wird/ Russische Kommunisten bezeichnen Präsidentenamt in Rußland als Monarchie
Moskau (dpa/afp) — In Moskau bekräftigte Gorbatschow sein Interesse an einer Teilnahme beim Gipfel der sieben größten Wirtschaftsnationen (G-7) und erklärte, die UdSSR brauche vom Westen 100 Milliarden Dollar Hilfe, um ihre Krise zu überwinden und die Perestroika zum Erfolg zu führen. Die Sowjetunion sei „eine der wichtigsten Stützen dieser Welt“ und „wohl den Preis wert“, sagte Gorbatschow am Mittwoch abend nach Gesprächen mit dem italienischen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti. Die Teilnahme Gorbatschows an dem Gipfeltreffen bleibt aber offen. „Wenn Gorbatschows Teilnahme den „Refomen wirklich helfen kann, dann wäre sie eine wichtige Angelegenheit“, erklärte Bush.
In Bonn wurde nach der Rückkehr von Bundeskanzler Helmut Kohl aus den USA am Mittwoch abend eine Einladung an Gorbatschow für unwahrscheinlich gehalten. Kohl will Gorbatschow in Kürze telefonisch über die deutsch-amerikanischen Überlegungen zu westlichen Hilfsmaßnahmen für die UdSSR unterrichten. Die Anwesenheit Gorbatschows sei nur sinnvoll, wenn es konkrete Ergebnisse in Form koordinierter Hilfsprogramme gebe, hieß es in Bonn.
Während der Verfassungsdebatte im russischen Volksdeputiertenkongreß hat der Parteichef der russischen Kommunisten, Iwan Poloskow, die für 12. Juni geplante Direktwahl eines russischen Präsidenten scharf kritisiert und die Befürchtung geäußert, die neue Verfassung der Russischen Föderation werde einer Monarchie ähneln. Außerdem werde sie eine Kettenreaktion in der Russischen Föderation hervorrufen, die mit dem Auftauchen „mehrerer Dutzend Präsidenten“ enden werde. Die Tatarische Autonome Republik, die bereits im vergangenen Jahr eine Souveränitätserklärung abgegeben hatte, kündigte bereits eigene Präsidentschaftswahlen für den 12. Juni an.
Die kommunistischen Deputierten des bis Samstag tagenden Volksdeputiertenkongresses bemühen sich darum, den Wahltermin um drei Monate zu verschieben. Davon erhoffen sie sich nach Ansicht politischer Beobachter größere Chancen im Wahlkampf, in dem der russische Parlamentspräsident Boris Jelzin als Favorit gilt.
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