: Geschenk für das Grundgesetz
■ 42 Jahre nach dem Grundgesetz: „Kuratorium für einen demokratisch verfaßten Bund Deutscher Länder“ legt Verfassungsentwurf vor/ Mehr Rechte für in- und ausländische Bürger
Bonn (afp/taz) — Exakt 42 Jahre nach der Verkündigung des Grundgesetzes legte das „Kuratorium für einen demokratisch verfaßten Bund Deutscher Länder“ gestern in Bonn den Entwurf für eine neue gesamtdeutsche Verfassung vor. Das Datum solle verdeutlichen, daß der Entwurf in der Tradition des Grundgesetzes stehe und sich als dessen Weiterentwicklung verstehe, sagte der Kuratoriumssprecher und Bundestagsabgeordnete Wolfgang Ullmann vom Bündnis 90/Grüne.
Zentrales Anliegen des Kuratoriums ist es, in einer neuen gesamtdeutschen Verfassung die Bürgerrechte zu stärken. Grundrechte, die bisher nur deutschen Staatsangehörigen zustehen, sollen für alle Bürger gelten. Ausländer, die seit fünf Jahren legal in Deutschland leben, sollen die Bürgerrechte inklusive des Rechts auf eine soziale Grundsicherung, auf Arbeit und angemessene Wohnung erhalten.
Der Entwurf, der auch Vorschläge des Runden Tisches enthält, sieht weiterhin vor, daß Bürger und Bürgerinnen Akteneinsicht gewährt wird. Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern soll staatlich gefördert und Alten sowie Behinderten besonderer Schutz gewährt werden.
Auch auf Bundesebene sollen die Bürger in Volksentscheiden und Volksbegehren in einzelnen Fragen mitentscheiden können. Der Staat soll Bürgerinitiativen fördern. Die Verfassung soll ihn weiter auf Frieden und den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen verpflichten. Auch die Rechte der Abgeordneten sollen erweitert werden, etwa durch eine Stärkung der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse.
Die bundesstaatliche Ordnung soll zugunsten der Länder reformiert werden. Über eine gesamtdeutsche Verfassung sollte nach Ansicht des Kuratoriums ein Verfassungsrat aus 160 Frauen und Männern beraten. Der vom Verfassungsrat ausgearbeitete Entwurf solle dann dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden.
Das Kuratorium hatte sich im Juni 1990 als „gesamtdeutsche Bürgerinitiative“ gegründet. Ihm gehören neben bekannten ostdeutschen Bürgerrechtlern wie dem Theologen Ullmann die stellvertretende SPD-Vorsitzende Herta Däubler-Gemlin, die Fernsehjournalisten Lea Rosh, Franz Alt und Fritz Pleitgen sowie der Philosoph Jürgen Habermas, der Rhetorik-Professor Walter Jens und der Psychoanalytiker Horst-Eberhard Richter an.
Auf zwei öffentlichen Kongressen sowie in Arbeitsgruppen wurden die Verfassungsfragen von Laien und Wissenschaftlern weiterdiskutiert und schließlich von einer Redaktionsgruppe zu dem Entwurf zusammengefaßt.
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