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Minen am Straßenrand Ostpolizei nicht interessiert

■ Künstlerpaar fand Hunderte von Panzerminen auf Müllkippe in Dallgow — keine Reaktion der Polizei/ taz-Reporterin schleppte Panzermine auf West-Revier

Berlin/Dallgow. Die ehemalige Volkspolizei scheint sich für weggeworfene russische Munition nicht zu interessieren: Diese Erfahrung machte jetzt jedenfalls das Westberliner Künstlerpaar Dirk Ehrhardt und Sabine Lugert. Die beiden fuhren vor zwei Wochen zu einem Müllplatz des Dorfes Dallgow, westlich von Berlin an der Fernstraße 5, um auf einem Müllplatz nach Material für Metallkunstwerke zu suchen. Dabei fanden sie auf einem Schrottabladeplatz nahe der sowjetischen Kaserne Hunderte von Panzerminen und Zündern. Obwohl die Polizei in Nauen von ihnen verständigt wurde, ging sie dem Hinweis nicht nach, um zu klären, ob es sich um scharfe Munition handeln würde.

Ehrhardt und Lugert informierten die taz — unsere Reporterin Anita Kugler sah sich vor Ort um, lud gestern nachmittag eine Panzermine in ihr Auto und fuhr zum Westberliner Polizeirevier am Charlottenburger Kaiserdamm. Etwa vier Kubikmeter Panzerminen lägen in Nauen, eine habe sie samt Zünder im Wagen, berichtete sie dem Wachtleiter Oberkommissar Herholz. Der fiel beinahe in Ohnmacht, als er das hörte: »Das ist doch lebensgefährlich!« Er habe immer gewußt, daß es in Berlin Verrückte gibt — sie gehöre wohl auch dazu. Herholz ließ das Auto unserer Reporterin sofort von zwei Beamten sichern, weitere Polizisten sorgten dafür, daß der Ford von anderen Autos und Radfahrern weiträumig umfahren wurde. Der Wachtleiter telefonierte umgehend mit dem Rat der Polizei und informierte das Sprengkommando Grunewald, eine Spezialeinheit der Polizei, die Kriegsmunition entschärft. Ein Vorrauskommando traf 20 Minuten später vor Ort ein. Inzwischen hatte sich ein aus dem Ostteil Berlins stammender Polizist mit sächsischem Dialekt vor dem Kofferraum des Autos aufgebaut. Ein Blick, und er wußte Bescheid: »Das ist Übungsmunition!« Der Mann war 12 Jahre lang als Panzerpionier hauptamtlich mit Minen beschäftigt. Wachtleiter Herholz interessierte das nicht. Der Oberkommissar, der das Geschehen auf der Straße aus sicherer Entfernung vom Fenster aus beobachtete, schrie: »Hauen Sie ab da! Stellen Sie sich vor, das explodiert und dahinter parkt gerade ein Bus mit Behinderten!« Der Sachse grummelte: »Isch sach jetz garnischd mehr!«

Ihm wurde vom inzwischen eingetroffenen Sprengststoff-Kommissar Wegener recht gegeben. Nachdem er sich schlau gemacht hatte, gab er bekannt: »Die Panzermine ist zwar nicht gefährlich, die herumliegenden Übungszünder aber sehr wohl!« Bei unsachgemäßer Behandlung könne es zur Explosion und zu erheblichen Verletzungen kommen.

Wegener informierte sofort den Kampfmittelräumungsdienst in Potsdam. Die Übungsmunition sollte noch Freitag nacht abgeräumt und ordnungsgemäß entsorgt werden. aku/ccm

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