: Die Trophäen des Helmut Kohl
Für „seinen unermüdlichen Einsatz und seine unbeirrbare Kraft“, wie Peter Tamm vom Axel-Springer- Verlag lobhudelte, wurde Helmut Kohl letzten Donnerstag vom Fernsehblättchen 'Hör zu‘ mit der „Goldenen Kamera“ ausgezeichnet. Doch obwohl man die werbeträchtige Verleihung in die luftige Höhe des 19. Stocks des Berliner Springer- Hochhauses abfeierte, also weit über den Köpfen potentieller Eierwerfer, ja sogar so weit oben, daß man den Pöbel gar nicht mehr erkennen, sondern sich völlig angstfrei zusammen mit illustren Gästen und unter den Klängen des Dresdner Krauß-Quartetts am goldenen Panorama der Hauptstadt im Sonnenuntergang erfreuen konnte, kam der Kanzler nicht. Er schickte seine Gattin Hannelore, um die Trophäe abzuholen. Hannelore trug zu ihrem eingemeißelten Zahnpastagrinsen diesmal ein dunkelblaues Kostüm, was ausgezeichnet mit dem Springer-Pokal harmonierte. Reklame für ihren Gatten durfte sie auch machen. Für Helmut sei mit der deutschen Einheit ein Traum wahrgeworden, behauptete sie, und auf die Frage des Moderators nach dem gräßlichen Anschlag von Halle meinte sie: „Er hat sich darüber geärgert, warum denn nicht“, doch er sei „nicht in der Seele verwundet“ worden. Alle nickten anerkennend über soviel Heldenmut und stürzten sich dann aufs Buffet.
Der Kanzler selbst hielt sich zu dieser Zeit im schottischen Edinburgh auf, um sich seinen 13. Ehrendoktorhut abzuholen. Da die 14. Ehrung durch die Katholische Universität Mailand schon beschlossene Sache ist, hat Dr. Kohl inzwischen ebenso viele Hüte vorzuweisen wie Richard von Weizsäcker. Da kann sich der Kanzler eine klammheimliche Freude nicht verkneifen, die allerdings etwas getrübt ist: Den absoluten Rekord an Ehrendoktorhüten hält nämlich Willy Brandt. Willy steht mit 27 Ehrendoktoraten an der Spitze der bundesdeutschen Hütchenspieler. Es folgt Konrad Adenauer mit 24. Der habe damit „genauso viele Hüte wie Enkel“, weiß die Stiftung Adenauer-Haus. „Der Alte“ habe auch gern andere Auszeichnungen gesammelt, wie die eines Indianer-Ehrenhäuptlings, die mit einem prächtigen Federschmuck verbunden war. Das kann Helmut Kohl natürlich auch alles noch erreichen. Und wenn er sich weiterhin nah genug ans Volk herantraut, könnte er sogar noch Franz Josef Strauß überrunden und als der bundesdeutsche Politiker, der die meisten Gemüse- und Eierwürfe auf sich vereinigen konnte, in die Geschichte eingehen. Karl Wegmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen