: Berlins oberster Hirte als oberster Zensor
■ 'rundbrief‘ der Katholischen Jugend mit Homo- und Frauenartikeln einkassiert: »Unsachliche Hetze gegen das Bischofsamt«
Die Diskriminierung von Frauen und Homosexuellen bleibt in der katholischen Kirche ein Tabuthema. Die April-Ausgabe des 'rundbriefs‘, der Zeitschrift vom »Bund der deutschen katholischen Jugend« (BDKJ) Berlin, in der sich u.a. Feministinnen und Schwule zu Wort meldeten, ist vom Berliner Bischof Georg Sterzinsky kassiert worden. Bei Weiterverbreitung des 'rundbriefs‘ droht dem BDKJ ein kirchliches Disziplinarverfahren, das mit dem Entzug des Attributs »katholisch« und damit dem Ende aller finanziellen Unterstützung ausgehen könnte.
Stein des Anstoßes für die Kirchenherren sind zwei Artikel des 'rundbriefs‘, dessen Schwerpunktthema »Männer« heißt. Der Artikel »Diskriminierung der Frauen in der katholischen Kirche« der Theologin Ida Raming prangert die strukturelle »Apartheid für Frauen« und ihre passive Rolle im untergeordneten, den kirchlichen Amtsträgern gegenüber zum Gehorsam verpflichteten Laienstand« an. Raming fordert »Empörung« und »Widerstand gegen solche Unterdrückung«, die »schweres Unrecht, also Sünde« sei, und fordert männliche »Solidarität und Hilfe«.
Der zweite beanstandete Artikel, »Zum Objekt degradiert«, ist eine Darstellung des ökumenischen Arbeitskreises »Homosexuelle und Kirche« (HuK). Darin werfen die Schwulen der Kirche vor, die »Sexualität zu instrumentalisieren« und für Homosexuelle »keine Sexualethik, sondern nur eine Buß- und Sündenlehre« bereitzuhalten. Die Kirche behandle Homos nur als Objekte, die ermutigt werden sollten, »ein keusches Leben zu führen«. Eine Kirche, die »Ausgrenzung und Entmündigung von Schwulen nicht bekämpft, macht sich zum Komplizen der Unterdrücker«.
Solches Gedankengut darf nicht unter katholischen Jugendlichen diskutiert werden, so das Urteil von Bischof Sterzinsky. Die bereits verschickten 'rundbriefe‘ mußten vom BDKJ zurückgefordert werden, die Auflage von 1.500 Stück wird nun »abgelegt«, sagt der Diözesanpräses Kaplan Lutz Nehk als geistlicher Leiter des BDKJ. »Wir haben geahnt, daß wir keinen großen Beifall finden würden, aber wir wollten eine Diskussion in Gang bringen.« Er steht zu den Themen des verbotenen 'rundbriefs‘ und dazu, daß über die Erfahrungen von Frauen und Homosexuellen und den Umgang mit Randgruppen in der Kirche« geredet werden müsse. Nehk bedauerte die Entscheidung des Bischofs, die den Schlußpunkt einer »kurzen, heftigen Reaktion« darstelle. In der Pressestelle des Bischöflichen Ordinariats ist über den Vorgang »niemand informiert« worden.
Bischof Sterzinsky war zu einer Stellungnahme nicht zu erreichen. Gegenüber dem BDKJ habe er angegeben, so Kaplan Nehk, »heiße Eisen« seien einseitig behandelt worden, ohne die Amtsseite zu befragen«. Nach Ansicht des Bischofs könnten viele Jugendliche diese Fragen nicht selbst beurteilen. Außerdem enthielten die Artikel »unsachliche Hetze gegen das Bischofsamt und seien gegen die Lehren der katholischen Kirche« gerichtet.
Das 'rundbrief‘-Verbot geschieht vor dem Hintergrund traditioneller Spannungen zwischen Bischof und BDKJ. Von der Kirchenhierarchie wurde der Jugendverband schon immer als »zu links« beargwöhnt, weil er sich auch politisch zu Wort meldete. In den neuen Ländern versuchen konservative Kleriker wie Bischof Dyba von Fulda die Enstehung des BDKJ zu behindern, und setzen ganz auf die fromme, kontrollierbare Pfarrjugend. Bernhard Pötter
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