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Kraftprobe in Algerien

■ Islamisten und Befreiungsfront ringen um die Macht

Paris (taz) — Scheich Abassi Madani muß am Wochenende eine nostalgische Erinnerung an die Gründerzeit seiner Islamischen Heilsfront (FIS) beschlichen haben: Nur etwa 5.000 Bärtige kamen auf den „Platz der Märtyrer“ in Algier, um seinen Aufruf zum unbefristeten Generalstreik zu hören, der geplante Marsch auf den Präsidentenpalast mußte abgeblasen werden. Eine schwere Niederlage für die FIS fünf Wochen vor den ersten freien Parlamentswahlen am 27.Juni in Algerien. Die demokratische Öffnung Algeriens gerät zur Kraftprobe zwischen der FIS und der seit der Unabhängigkeit alleinregierenden Nationalen Befreiungsfront (FLN).

Premierminister Mouloud Hamrouche förderte die Bildung neuer Parteien, um die Opposition zu splittern — zwei Parteien wurden gar von Geheimdienstlern und FLN-Kadern gegründet. Die FLN schneiderte sich ein Wahlgesetz nach Maß. Es ist so eingerichtet, daß sich im zweiten Wahlgang in den meisten Bezirken ein FIS-Kandidat und ein FLN-Mann gegenüberstehen werden. Die anderen Parteien müßten sich dann hinter der FLN zur Anti-Islamisten-Front finden. Zudem schnitt sich die FLN die Wahlkarte so zurecht, daß im FLN-freundlichen Süden schon 1.000 Stimmen für einen Parlamentssitz ausreichen, während ein Kandidat im Norden, wo die FIS stark ist, 150.000 Stimmen braucht.

Eine Umfrage der Wochenzeitung 'Algérie-Actualité‘ ergab 33,4 Prozent für die FIS und 24 Prozent für die FLN. Die anderen Parteien firmieren unter ferner liefen. Ben Bella, der vergangenen September aus dem Exil zurückkehrte, schaffte nur 0,7 Prozent.

Derweil erhöht Hamrouche den Druck auf die Islamisten. Politische Propaganda in den Moscheen wurde verboten. Mit der Aussicht auf eine Islamische Republik fand auch die Armee, die im Volksmund „Die große Stumme“ genannt wird, ihre Sprache wieder. In der letzten Ausgabe des Armee-Organs 'El-Dscheich‘ wurden die Islamisten als Verhinderer der arabischen Einheit angegriffen. Sie werde, drohte die Armeeführung, keine Krise dulden, sprich: keine FIS-Herrschaft.

Nach dem mißglückten Generalstreik vom Wochenende glauben viele Kommentatoren, die FIS sei geschlagen. Aber viele Algerier gingen nicht auf die Straße, weil die Armee drohend vor den Toren stand und die Repression vom Oktober 1988 mit fast tausend Toten noch in frischer Erinnerung ist. Viele AlgerierInnen wollen ihre Rechnung mit der alten Herrschaft an der Urne begleichen. Oliver Farni

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