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Bremer Filz vor dem Arbeitsgericht

■ Hans-Wendt-Stiftung „bastelte“ Kündigung / Staatsrat lieferte Zitat aus Genossenrunde

In Bremen gibt es eine türkische Familie, deren vier Kinder soziale Betreuung brauchen — sie sind auf verschiedene Institutonen verteilt, das kostet das Sozialamt pro Kindernase ca. 3.000 Mark im Monat. Warum wird nicht einfach eine Familienhelferin gestellt — die Kinder würden nicht auseinandergerissen und alles wäre weniger teuer? Ganz einfach, sagt die Sozialarbeiterin der Hans-Wendt-Stiftung, Anne Albers: die 3.000 Mark fließen in die Taschen der Sozialstiftungen, die ihre Einrichtungen auslasten müssen: „Es gibt Kopfgeld.“

Von ihrer Stiftung, der Hans Wendt-Stiftung, wurde Anne Albers jetzt fristlos gekündigt. Die formellen Hintergründe sind kompliziert; der Konflikt war soweit eskaliert, daß sie nicht an einer „Hilfe“-Besprechung teilnehmen sollte, an der es genau um diese Familie gehen sollte, von der sie eines der Kinder betreut hatte.

Die pädagogischen und finanziellen Hintergründe des Konfliktfalles interessierten gestern das Arbeitsgericht aber nicht, als es um die Kündigung ging. Das Gericht mußte der Frage nachgehen, ob es ein Kündigungsgrund war, wenn Anne Albers ihren Stiftungs-Geschäftsführer Strunk fachlich „inkompetent“ genannt hat. Daß der Senatsrat Hentschel 1985 bei der Einstellung des Geschäftsführers in den Akten vermerkt hatte, daß der Geschäftsführer die fachlichen Eignungsvoraussetzungen nicht erfülle und fachliche Entscheidungen nicht allein treffen dürfe, interesssierte das Gericht auch schon nicht mehr. Rein formal ging es nur darum, unter welchen Umständen diese Bemerkung über die Kompetenz gefallen war.

„Unter drei Semestern Mafia- Studium verstehen Sie hier nichts“, meinte Albers-Verteidiger Osterwald im Bremer Arbeitsgericht zu den verwirrten Journalisten. Versuchen wir es dennoch: Die senatorische Behörde, so führte der Hans-Wendt- Geschäftsführer Strunk aus, wolle Anne Albers in Bremen „flächendeckend“ nicht mehr eingesetzt wissen. Die Hans- Wendt-Stiftung sei von ihrem Auftraggeber wie eine Privatfirma abhängig und müsse sich dem beugen.

Christoph Hoppensack, Behördenchef des Sozialsenators und gleichzeitig gewichtiger Vorstandsvertreter von Hans-Wendt, drehte das Problem vor Gericht um: Die Hans-Wendt-Siftung ihrerseits habe offenbar „Schwiergkeiten“ gehabt, Frau Albers zu beschäftigen. Er habe ein klärendes Gespräch führen wollen, bei dem selbstverständlich der Geschäftsführer Strunk anwesend sein sollte.

Dieses Gespräch fand nicht statt. Am Rande der SPD-Fraktionssitzung sprach aber Jutta Kellmann-Hoppensack, Schwägerin des Staatsrates, ihre Parteifreundin Anne Albers an und es ergab sich der Vorschlag zur Güte: ohne den Hans-Wendt-Geschäftsführer und bitteschön ohne Anwalt sollten sich doch Albers, Uhl und Hoppensack versuchen, über den Fall zu reden. Die drei kennen sich aus der Parteiarbeit, sie duzen sich seit langem, zunächst redete Sabine (Uhl) mit Anne (Albers), dann kam Christoph (Hoppensack) dazu: Man redete Klartext unter Genossen.

Wenig später erhielt Anne Albers eine fristlose Kündigung von

Hier foto

Mann

Hans-Christoph Hoppensack

ihrem Geschäftsführer Strunk. Begründung: sie habe ihn im Gespräch mit Hoppensack und Uhl als „inkompent“ bezeichnet. Parteien genießen nach Artikel 21 des Grundgesetzes aber Vertrauensschutz, wegen einer Bemerkung auf einer Parteiversammlung kann niemand entlassen werden. Für das Arbeitsgericht war also entscheidend, ob es sich um eine SPD-Klüngelsitzung gehandelt hatte oder um ein ganz formelles Gespräch zwischen Hans-Wendt- Vorstandsmitgliedern und einer Angestellten. Die drei seien „rein zufällig auch in der Partei“, rechtfertigte sich Hoppensack. Das Arbeitsgericht konnte dem nicht folgen und erklärte die Kündigung für rechtsunwirksam.

Wie eine Bemerkung aus einem Gespräch unter drei SPD-Mitgliedern, die sich duzen, als Grund in einer fristlose Kündigung benutzt werden kann? Unter richtigen Genossen ganz einfach. Es existiert ein Brief mit der Anrede: „Lieber Christoph“, in dem Hans-Wendt-Geschäftsführer Strunk den „lieben Christoph“ darum bittet, die Bemerkung so in einer Aktennotiz niederzulegen, „daß ich daraus eine Abmahnung basteln kann“. K.W.

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