: Wohngeldwelle rollt bald
■ Bis zu 500.000 Anträge im Ostteil erwartet/ 450.000 Millionen Mark Wohngeld sollen bis zum Sommer 92 ausgezahlt worden sein/ 1.100 zusätzliche ABM-Kräfte wurden eingestellt
Berlin. Eine der gigantischsten Verwaltungsaktionen aller Zeiten dürfte die demnächst auf Ost-Berlin zurollende Wohngeldwelle werden. 400.000 bis 500.000 Anträge auf Wohngeld erwartet Bausenator Nagel (SPD), wenn sich die Mieten in Ost-Berlin am 1. Oktober verdrei- bis vervierfachen. Schätzungsweise 450 Millionen Mark an Wohngeld werden allein im ersten Jahr ausgezahlt werden. Zum Vergleich: In West-Berlin gibt es 80.000 EmpfängerInnen von Wohngeld, die zusammen jährlich 180 Millionen Mark bekommen.
Aber die Ausgaben für Wohngeld sind weit geringer, als die bisherige Subventionierung der Wohnungswirtschaft: Die kostet nämlich 1,3 Milliarden Mark im Jahr. Um die Auszahlung des Wohngeldes in Ost- Berlin schnell zu erledigen, werden 1.100 ABM-Kräfte auf ein Jahr befristet eingestellt.
Die Wohnungsbaugesellschaften im Ostteil der Stadt, denen ein Großteil der 650.000 Ostberliner Wohnungen gehören, werden ihre Mieterhöhungen gestaffelt verschicken, erläuterte Nagel. Einen Antrag auf Wohngeld und eine Broschüre legen die Gesellschaften gleich dazu. Pro Woche werden zwischen dem 15. Juni und dem 31. August jeweils 50.000 Mieterhöhungsschreiben versandt. Alle diese Erhöhungen gelten jedoch erst ab dem 1. Oktober. Trotzdem sollen die MieterInnen sofort ihren Wohngeldantrag stellen, wenn sie die Mieterhöhung bekommen haben, damit das Geld rechtzeitig eintrudelt. Antragsformulare und Wohngeldbroschüren gibt es außerdem bei den Wohnungsämtern der Bezirke. Nagel empfahl, frühzeitig ein Girokonto einzurichten.
Jeder Mieter und jede Mieterin mit entsprechend geringem Einkommen hat Anspruch auf Wohngeld, egal ob sie bei einer Wohnungsbaugesellschaft, bei einer Genossenschaft oder bei einem privaten Vermieter wohnen. Die Höhe des Wohngeldes hängt vom Einkommen, von der Größe der Familie, von der Größe der Wohnung und von der Höhe der Miete ab. Für die ehemalige DDR gibt es eine eigene Wohngeldregelung. Demnach darf die Mietbelastung des durchschnittlichen Haushalts nur zehn Prozent des Einkommens betragen. Die Freibeträge sind für Ostler höher als für Westler. Auch Heizkosten werden, anders als im Westen, teilweise auf das Wohngeld angerechnet.
Nagel nannte einige Beispiele: So bekommt eine alleinstehende Mutter mit einem Kind, die 1.050 Mark brutto verdient und für ihre 55 Quadratmeter große Wohnung 404 Mark Miete zahlt, etwa 256 Mark Wohngeld. Ein Ehepaar mit zwei Kindern und einem gemeinsamen Einkommen von 2.000 Mark brutto, das 535 Mark Miete für eine 70 Quadratmeter große Wohnung zahlt, erhält immerhin noch 248 Mark Wohngeld. esch
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