piwik no script img

Paragraph 218: CDU und SPD für Zwangsberatung

■ Frauenausschuß debattierte über Finanznöte von Frauenprojekten und die Gesetzesinitiative zur Reform des Paragraphen 218

Berlin. Die Perspektive der Frauenprojekte in Ost-Berlin sieht zappenduster aus. Ganze 2,7 Millionen Mark sind für die Finanzierung der Projekte im Nachtragshaushalt für das zweite Halbjahr 1990 vorgesehen. Das bestätigte gestern Frauenstaatssekretärin Helga Korthaase im Frauenausschuß des Abgeordnetenhauses. Vergleicht man dies mit den 18,8 Millionen Mark, die für die Frauenprojekte im Westteil der Stadt im Haushalt für 1991 veranschlagt sind, scheinen diese geradezu auf Rosen gebettet zu sein. Doch der Schein trügt. Wenn Finanzsenator Pieroth (CDU) sich weigert, für die Frauenprojekte die sechsprozentige Traiferhöhung und die sechzigprozentige BAT-Vergütung lockerzumachen, die ab 1. Juli in Ost-Berlin fällig wird, muß der Posten von 1,7 Millionen Mark laut Helga Korthaase vermutlich aus dem Topf der Frauenprojekte finanziert werden.

Die Tatsache, daß 87 Prozent der Gelder in den Westen fließen, wertete die stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/ Grüne, Sibyll Klotz, gestern im Frauenausschuß als »Fortschreibung der Teilung«. Damit würde den Projekten, die »Kinder der Wende« seien, der »Todesstoß« versetzt. Klotz forderte eine »Parteien übergreifende Initiative« mit dem Ziel, im Hauptausschuß mehr Geld für die Projekte lockerzumachen. Die stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende, Irina Schlicht, sprach von einem »echten Dilemma«. Sie meinte zwar auch, daß »der Kuchen« für die Frauen »insgesamt vergrößert« werden müsse. Solange die Finanzsituation aber so sei, wie sie sei, müßten die Projekte eben »überregional« über die Grenze agieren. Als Beispiel dafür nannte Schlicht die Beratungsstelle für sexuell mißhandelte Mädchen und Frauen »Wildwasser«. Was die CDU-Vertreterin dabei geflissentlich unterschlug: Die ohnehin schon total überlastete Beratungsstelle Wildwasser wurde nach Angaben von Sybill Klotz dazu gezwungen, zwei Mitarbeiterinnen zur Eröffung einer Dependance nach Ost- Berlin zu schicken, weil sie sonst kein Geld mehr bekommen hätte. Die Förderung, die Wildwasser erst jetzt definitiv zugesagt wurde, ist laut Klotz seit 1989 nicht erhöht worden, obwohl bei dem übergroßen Andrang Frauen und Mädchen weggeschickt werden müssen.

Schiffbruch erlitten die Vertreterinnen von Bündnis 90/ Grüne, Sibyll Klotz und Halina Bendkowski, gestern mit ihrem Antrag, die von der rot-grünen Koalition im Bundesrat eingebrachte Initiative zur Reform des §218 fortzuführen. Der Entwurf für ein »Schwangerschaftsgesetz« hatte eine modifizierte Fristenregelung ohne Zwangsberatung vorgesehen. Staatssekretärin Helga Korthaase gab zunächst eine persönliche Erklärung ab: Sie sei seit 27 Jahren Mitglied der SPD und stehe »nach wie vor zu dem Beschluß der ersatzlosen Streichung des §218«. Anschließend wies sie darauf hin, daß die Gesetzesinitiative modifiziert worden sei. Der Schwangerschaftsabbruch, so Korthaase, solle bis zur 12. Schwangerschaftswoche entkriminalisiert werden. Aber »der Entscheidung der Frau muß eine eingehende Beratung vorgeschaltet werden«. plu

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen