...die Erbsen aus der Suppe suchen

■ Unverantwortliche Diätführung im Knast

Für die körperliche und geistige Gesundheit des Gefangenen ist zu sorgen. (Paragraph 56 Abs.1 StVollzG)

Wehe, wenn aber mal ein Knacki krank wird. Oder, wenn ein Strafgefangener aufgrund seiner Krankheit auf Diätkost angewiesen ist — dann sind für ihn gesundheitliche Schäden vorprogrammiert. [...] Die Rede ist von Diabetikern, die auf eine jeweils für sie ärztlich verordnete Diabetikerkost angewiesen sind. Natürlich gibt es im Knast für Diabetiker eine Diabetikerkost. Diese entspricht in der Regel nicht den diätischen Empfehlungen, die für Diabetikerkost anzuwenden sind. Viele Beispiele zeigen, daß in den Anstaltsküchen bei der Zubereitung und Portionierung von Diabetikerkost, die ärztlich angeordneten BE pro Mahlzeit und Diabetiker, zwar bekannt sind, jedoch nicht eingehalten werden. Beim Küchenpersonal herrschen noch alte Diätregeln vor und es mangelt vielfach auch an diätischen Fachkenntnissen. Den Insassen, die die Diabetikerkost portionieren, mangelt es größtenteils an Kenntnis und Gefühl für die erforderliche BE-Portionierung der Diabetikerkost.

Derartige und anhaltende Diätfehler haben zur Folge, daß ein inhaftierter Diabetiker sich gegen seine Gesundheit zu verhalten gezwungen wird. Nein, im Knast gilt nicht der bundesweite Aufruf, daß „sich jeder Bürger durch entsprechendes Verhalten selbst gesund erhalten“ sollte (Norbert Blüm, Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung).

Da gibt es zum Beispiel in einer JVA in Hessen jeden Montag keine Diabetikerkost. Der Diabetiker erhält „Normalkost“. Er muß sich an diesen Tagen mit Erbsen-, Linsen-, Bohnen- oder Gemüseeintopfsuppen zufrieden geben. Eine „Kelle Erbseneintopf“ beinhalten jedoch zwölf bis 15 Broteinheiten! Wenn ein Diabetiker zu Mittag nur drei oder vier BE essen darf, müßte er sich die gekochten Erbsen aus der Suppe herauspicken und abwiegen. Hat er Kohldampf und ißt den Erbseneintopf auf, so steigt sein Blutzucker in unverantwortbare Höhen, der den Stoffwechsel entgleisen läßt. Ist ein Diabetiker vorsichtig und ißt nichts, läuft er Gefahr, daß er wegen Unterzuckerung (Hypoglykämie) den Notarzt benötigt, der ihn aus der Bewußtlosigkeit ins Leben zurückholt.

Hat das noch etwas mit Gesundheitsfürsorge zu tun? Entspricht das dem Paragraphen 56 im Strafvollzugsgesetz?

Wenn anhaltende Diätfehler gemacht werden, so wird jeder Arzt bestätigen, daß dieses bei Diabetikern zu Komplikationen führt, die erst nach Jahren auftreten, und die an allen Organen, mehr oder weniger ausgeprägt, auftreten können: die Nieren, die Augen, das Gehirn, die Nerven, die Beine und viele andere diabetestypischen Gefäßveränderungen.

[...] Das ist unverantwortbar, nicht zuletzt, weil damit seit Jahren den Diabetikern gesundheitlicher Schaden zugefügt wird. Hajo, ein Diabetiker im Knast, JVA Frankfurt am Main