: Der wertvollste Jordan, den es je gab
■ Michael Jordan hat mit seinen Chicago Bulls das Finale um den Titel der National Basketball Association (NBA) erreicht/ Titelverteidiger Detroit Pistons beim 0:4 im Play-off ohne Chance
Berlin (taz) — Was weltweite Berühmtheit und das Scheffeln von Mammon betrifft, hat Michael Jordan von den Chicago Bulls die großen Basketball-Stars der jüngeren Vergangenheit, Magic Johnson von den Los Angeles Lakers und Larry Bird von den Boston Celtics, längst überflügelt; zum fünftenmal schloß er die reguläre Punktrunde als bester Werfer ab, gerade hat man ihn zum zweitenmal zum „wertvollsten Spieler der Saison“ gewählt, und sogar ein Schuh wurde nach ihm benannt. Doch eines fehlt dem sprunggewaltigen „Air“ Jordan noch zu seinem Glück: der Titel. „Ich beneide die Celtics, die Pistons und die Lakers“, sagt er, „sie haben gewonnen.“ Das sei es, was ihn vorantreibe.
Seine Chancen, das ersehnte Ziel zu erreichen, stehen in diesem Jahr so gut wie nie zuvor. Durch einen überzeugenden 4:0-Erfolg in der Play-off-Serie gegen die Titelverteidiger Detroit Pistons wurde Jordans Team Meister des Ostens und trifft im Finale vermutlich auf die Los Angeles Lakers, die gegen die Portland Trail Blazers mit 3:1 in Führung gingen.
Die Siegesserie der Korbleger aus Chicago hängt maßgeblich mit der gewandelten Rolle Michael Jordans zusammen. Mit durchschnittlich 31,5 Punkten pro Spiel erreichte er zwar den niedrigsten Wert seit fünf Jahren, dennoch spielt er seine bisher beste Saison. Früher war die gesamte Taktik der Bulls allein auf Jordan zugeschnitten, er bekam jeden Ball, kaum ein anderer wagte den Korbwurf. Starke Defensivmannschaften wie die Detroit Pistons zogen leicht ihren Vorteil aus dieser äußerst durchsichtigen Spielanlage. Wenn es ihnen gelang, Jordan auszuschalten, hatten sie bereits gewonnen.
In diesem Jahr hält sich der Superstar jedoch mehr zurück und setzt, anstatt immer selbst den Korberfolg zu suchen, öfter seine Nebenleute ein, was vor allem Scottie Pippen mit einer wahren Flut von Körben belohnt. Besonders deutlich wurde dies im ersten Spiel gegen Detroit, als die Pistons Jordan fast völlig ausschalten konnten. „Ich habe schlecht gespielt“, gab er selbst zu, doch sein Trainer Phil Jackson drufte trotzdem frohlocken: „Heute haben wir ihn nicht gebraucht.“ Die Bulls gewannen sicher mit 94:83. Im zweiten Spiel waren die Pistons dann völlig verwirrt. Konzentrierten sie sich auf Jordan, schlugen die anderen zu, vernachlässigten sie ihn, traf er sogleich selbst, am liebsten mit einem seiner berühmten Sechs-Meter- Sprünge zum Korb. Zudem hatte er diesmal ein weiteres Gegenmittel gegen die rauhbeinigen Pistons parat: sein Mundwerk.
Das Team aus der Autostadt spielt nämlich recht versiert die Rolle der bösen Buben der NBA: eine Abwehr, die bei jedem Eishockeyspiel mitmischen könnte, versteckte Faustschläge und Ellenbogenchecks, dazu jede Menge verbale Unflätigkeiten, sind die Mittel, mit denen Detroit vor allem Gegner wie den sensiblen Künstler Jordan in die Knie zwang. Trainer Chuck Daly: „Wir schlugen den Glanz der Lakers. Wir schlugen die Tradition der Celtics. Wir haben nie klein beigegeben. Wir waren ein Team, das die schmutzige Arbeit tat, die nötig ist, um den Titel zu gewinnen.“
Diesmal blieben die schmutzigen Waffen der Pistons jedoch stumpf. Chicagos Deckung erwies sich als bissiger und das Mittel der Beleidigung wirkte diesmal selbst bei Michael Jordan nicht. „Wenn sie anfangen, schlecht zu reden, zahle ich ihnen mit gleicher Münze heim“, erklärte dieser stolz, obwohl er sich mit einer solchen Art von Basketball immer noch nicht recht anfreunden mag: „Es gefällt mir nicht, wie sie den Basketball beschmutzen. Man muß Sportsmann sein, aber sie benehmen sich nicht so.“
Beim 105:97 im zweiten Spiel gelangen Jordan 35 Punkte, beim 113:107 im dritten waren es 33 und Montag nacht, als die Pistons daheim in Auburn Hills, Michigan, endgültig ihre Hoffnungen auf einen dritten Titelgewinn in Folge begraben mußten, steuerte er 29 Punkte zum 115:94 bei. Viereinhalb Minuten vor Schluß, es stand 103:80, gaben die Pistons auf. Ihre Stars, Isiah Thomas und Joe Dumars, gingen resigniert vom Feld, während die Bulls am Spielfeldrand begannen, ausgelassen zu feiern.
Nach dieser bitteren Niederlage ist die fernere Zukunft von Chuck Daly in Detroit ungewiß, über die nähere gab er jedoch bereitwillig Auskunft: „Was meine Pläne sind? Ich werde einen irischen Whiskey trinken.“ Matti
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