PRESS-SCHLAG: Macht Tennis alt?
■ Über die Geschwindigkeit, mit der kichernde Tenniskinder wie Monica Seles altklug werden
Eigentlich war Monica Seles ein ganz normales Kind, als sie in die Tennis-Manege stieg: Kichernd, laut, spontan und wunderbar sorglos, wie sich das eben gehört für eine 15jährige. Und noch dazu unschuldig stöhnend, was bei den weniger unschuldigeren Betrachtern heftige Assoziationen und demzufolge großes Interesse auslöste. Selbst die immergleichen Pressekonferenzen wandelte die Jugoslawin in witzige, temperamentvolle Audienzen um. Zu all dem gesellten sich eine außergewöhnliche, weil beidhändige, hochagressive Spielweise mit bemerkenswerter Verzerr-Mimik. Und Sätze wie: „Denken ist nicht gut für mich.“ Keine Frage also, Monica Seles brachte mit ihrer unbekümmerten Nummer Schwung in den Zirkus.
Doch mit der Thronbesteigung zur Nummer eins im Welttennis scheint auch die Leichtigkeit der Jugend flöten. Im Gespräch mit 'Sports‘-Fragesteller Arno Luik entfuhren Frau Seles Sätze, wie man sie sonst nur von alten, reichen Witwen kennt. Etwa: „Es ist eine schöne Vorstellung, zu wissen, daß in ferner Zukunft, wenn ich längst nicht mehr lebe, Kinder in Tennisbüchern mal über mich lese können; ich will in die Tennisgeschichte eingehen.“ Oder in bezug auf Männerfreundschaften: „Es ist schwer, jemanden zu finden, dem ich vertrauen kann. Denn ich weiß ja nie: Ist er auf mein Geld aus? Will er in die Zeitung kommen?“
Gedankenlosigkeit kann sich Monica Seles nicht mehr leisten. Während sich Gleichaltrige den Kopf zerbrechen, wie sie am elterlichen Verbot vorbei in die Disko schleichen können, plagen sie profanere Probleme: „Ich kann keinen Hamburger essen und mir mit Soße ein bißchen den Mund verschmieren: Am nächsten Tag wäre ein häßliches Bild von mir in der Zeitung.“ Schlimm genug, daß sie immer mit verzerrtem Gesicht abgedruckt werde: „Furchtbar — einfach furchtbar! So etwas würde ich am liebsten zerreissen! Das bin ich nicht!“
Wer sie wirklich ist: „Ich will nicht bloß die Tennisspielerin Seles sein. Aber manchmal muß ich lachen: Da gewinne ich die French Open, und die ganze Welt stellt mir nach. Und ich hocke abends im Hotelzimmer über meinen Schulbüchern.“ So hat die Seles auf dem Weg zur Nummer eins gelernt, das Denken am Ende doch gut ist für sie. In Paris wiegelte sie gar die Journalisten auf, sich gemeinsam mit ihr über die ungleichen Preisgelder beim Männer- und Frauentennis zu beschweren. „Das ist doch Unsinn. Wir Frauen bieten spannenderes Tennis als die Männer. Abgesehen vom Aufschlag haben die nicht allzuviel zu bieten. Sie motzen auf dem Platz viel zu viel rum. Seit Borg und MacEnroe ist das Männertennis ziemlich langweilig geworden. An einem guten Tag würde ich auch den Boris Becker zum Schwitzen kriegen, wenn er ohne seinen Aufschlag spielen müßte.“
Monica Seles ist verückt nach Tennis. Einmal auf dem Platz, „nehme ich nichts mehr wahr, nur diesen kleinen gelben Ball. Und nach Wimbledon will sie, die weder Gegnerinnen noch Taktiken studiert („Tennis ist ein Spiel, keine Wissenschaft“), ihre Spielweise umstellen. „Ich bin auf der Suche nach der totalen Perfektion.“ Ausbaden durfen das bedauernswerte Hotelgäste, die neben Frau Seles logieren. „Ich schlage oft im Hotelzimmer Tennisbälle an die Wand — einfach so, und aus purem Spaß.“ War er da wieder, der unbekümmerte Teenager von damals? Und wirklich, auch den gibt es auch noch im Leben der Nummer eins: „Ich werde mir einen Traum erfüllen und einen Lamborghini kaufen. Bei dem Auto gefällt mir einfach, wie die Türen aufgehen.“ Ein Glück. miß
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