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Nach den Skins der Einigungsvertrag

■ Charlotte von Mahlsdorfs Gründerzeitmuseum vor dem Aus?/ Kaufvertrag sei laut Einigungsvertrag ungültig/ Museumsdirektorin droht mit dem Exil in Kopenhagen und Amsterdam

Berlin. Zwei Tage, nachdem am Samstag die Sommerparty für Schwule und Lesben im Garten des Mahlsdorfer Gründerzeitmuseums von rechtsradikalen Skinheads überfallen wurde, bekamen Lothar Bergfelde — alias Charlotte — und seine Mitarbeiterinnen Beate Jung und Silvia Seelow Besuch von der Senatsverwaltung für Kultur. Allerdings ging es weder um einen »Kondolenzbesuch« noch um die Besichtigung der Schäden.

Die Botschaft, die der Museumsreferent des Kultursenators, Herr Güntzer, und der Leiter des Märkischen Museums, Herr Hampe, überbrachten, war wenig erfreulich. Der Kaufvertrag vom Sommer 1990, mit dem Berfelde vom damaligen Magistrat das Gebäude des Gründerzeitmuseums erworben hat, sei ungültig. Laut Einigungsvertrag hätte der Kauf bis zum 3. Oktober 1990 im Grundbuch eingetragen werden müssen, um rechtsgültig zu werden. Dies sei nicht geschehen.

Charlotte von Mahlsdorfs Anwalt betrachtet dies jedoch als fehlerhafte Auslegung des Einigungsvertrags. Kaufverträge für Immobilien seien auch dann gültig, wenn bis zum Stichtag 3. Oktober bereits der Kaufvertrag zur Eintragung beim Grundbuchamt eingereicht wurde. Und das sei in diesem Fall geschehen. Für Charlotte und ihre Freundinnen ist die Situation nicht neu, allerdings um die Auslegung des »Einigungsvertrags« erweitert.

Charlotte von Mahlsdorff, die seit ihrer Kindheit »Trödel« der Gründerzeit gesammelt und zusammengetragen hat, war auch zu DDR-Zeiten Angriffen auf ihre Sammlung und ihr Museum ausgesetzt. 1957 wurde das Gebäude, das heute das Gründerzeitmuseum beherbergt und in dem Charlotte mit ihren beiden Mitstreiterinnen wohnt, mietfrei zur Verfügung gestellt. Der Leiter des Märkischen Museums, Hampe, wollte das Gründerzeitmuseum übernehmen. Dem Einsatz der in der DDR sehr populären Schauspielerin Annkathrin Bürger und des Rechtsanwalts Karl- Friedrich Kaul ist es zu verdanken, daß das Schlimmste verhindert wurde. Nach dieser Zeit konnte Lothar Bergfelde das Museum einigermaßen ungestört weiterführen.

Wie es nun im ersten Jahr der Einheit mit dem Museum weitergehen soll, ist ungewiß. Stefan Reiss vom Referat für gleichgeschlechtliche Lebensweisen meint, daß sicherlich noch nicht das letzte Wort gesprochen sei. Es müsse jetzt aber darum gehen, dem Ganzen eine Rechtsform zu geben, die es Charlotte von Mahlsdorf ermögliche, dort weiter zu wohnen und zu arbeiten. Für Charlotte ist eins allerdings klar: wenn der Bestand des Museums in der bisherigen Form nicht gewährleistet werde, werde sie mit ihren Freundinnen und der Sammlung ins Exil gehen — das könne Kopenhagen oder Amsterdam sein. Klaus Lucas

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