AL macht Bündnis 90 Heiratsantrag

■ Erste Landesdelegiertenkonferenz beschloß gemeinsame Liste mit Ostberliner Bürgerbewegungen/ Das Gremium war nur knapp beschlußfähig/ Parteivorstand soll auf sieben Mitglieder schrumpfen

Berlin. Die Berliner Grünen/AL wollen bei den Kommunalwahlen im Sommer 1992 mit den Bürgerbewegungen aus dem Ostteil der Stadt auf einer gemeinsamen Liste antreten. Dies beschloß die Landesdelegiertenkonferenz (LDK) der Partei, die am Samstag erstmals anstelle der bisherigen Mitgliedervollversammlung zusammentrat. Die LDK stimmte somit mehrheitlich der Vorlage des Parteivorstands zu.

Angestrebt wird ein einheitliches kommunalpolitisches Programm sowie eine gemeinsame Parteizeitung — und zwar möglichst mit allen Gruppierungen der Ostberliner Bürgerbewegung, wenn auch das Bündnis 90 Vorrang erhalten soll. Damit einigte sich der linke Flügel der Partei mit den Realos auf einen Kompromiß. Geplant sind gemeinsame Arbeitsgruppen und Anhörungen. Bis Ende 91 muß jedoch klar sein, wer sich an der gemeinsamen Liste beteiligen will, um laut AL-Vorstandsmitglied Willi Brüggen »keinen endlosen Verhandlungsprozeß in Gang zu setzen«. Fernziel, so der Beschluß der LDK, ist die Bildung einer gemeinsamen Partei für ganz Berlin, bis zu den Kommunalwahlen sei dies aber nicht mehr zu schaffen.

Das Neue Forum, das mit einer eigenen parlamentarischen Gruppe im Abgeordnetenhaus vertreten ist, kann dieser Beschluß jedoch nicht locken. »Es ist nicht unbedingt mein Traum, mit der AL unter einer gemeinsamen Flagge zu segeln«, meinte Sebastian Pflugbeil gestern gegenüber der taz. Es sei naheliegend, daß die AL mit diesem Beschluß »dicker« werden wolle, aber fragwürdig, ob sich das Neue Forum bei einem Zusammenschluß noch wiederfände. Zwar bestünde zu den meisten inhaltlichen Schwerpunkten »sehr große Nähe«, doch die Art, wie »Parteien mit Problemen umgehen«, sei »nicht geeignet, aus dem Schlamassel herauszukommen«.

Dessen ungeachtet stellte die LDK der AL am Samstag die Weichen für weitere Umstrukturierungen der Partei. So wurde bei grundlegenden Entscheidungen die Möglichkeit der Urabstimmung eingeführt. Zehn Prozent der knapp 3.000 Mitglieder reichen aus, um sie zu beantragen. Der Parteivorstand (Geschäftsführender Ausschuß) wird von neun auf sieben Mitglieder verkleinert, bei der nächsten LDK am 29. Juni soll der neue Vorstand gewählt werden. Die Trennung von Amt und Mandat bleibt für dieses Gremium erhalten. Künftig wird es zwei Vorstandssprecher geben, die aber nicht von der LDK, sondern vom Geschäftsführenden Ausschuß selbst bestimmt werden.

Auf Unmut stieß bei einigen Anwesenden, daß nur rund 90 der 160 Delegierten zur LDK erschienen waren. Erst nach einer guten Stunde war die Versammlung beschlußfähig. »Erst drängeln sie sich, Delegierter zu werden, und dann kommt keiner«, brummte einer der anwesenden Mandatsträger mißmutig. Wie es hieß, sollen die durch Abwesenheit glänzenden Delegierten an ihre Parteidisziplin erinnert werden. maz