: Sozis und Christen im »Straßenkampf«
■ Im rot-schwarzen Senat wird über die Umbenennung von Straßen im Ostteil gestritten/ CDU will Bezirken Kompetenz für Namensgebung entziehen/ SPD ist gegen diese »Entmündigung«
Berlin. Im Streit über die Umbenennung von Straßen im Ostteil Berlins droht schwarz-roter Koalitionsknatsch. Die CDU plant ein Gesetz, das den Bezirken die Kompetenz für die Namensgebung entziehen soll, und will den Entwurf noch in dieser Woche ins Abgeordnetenhaus einbringen. Die SPD hingegen möchte die Bezirke keinesfalls entmachten.
Das Gesetz der CDU sieht laut Fraktionssprecher Kaufmann vor, rund »vierzig bis fünfzig der Straßen, Magistralen und Plätze im City-Bereich durch den Senat umbenennen zu lassen«. Was den Rest angeht, sollten die Bezirke aufgefordert werden, »in ihrem Bereich bis Ende des Jahres möglichst viele Straßen umzubenennen«. Geht es nach der CDU, müssen auch die Altväter Marx und Engels weg.
Die »Entmündigung« der Ostberliner wollen sich die SPD-Fraktion und das ehemalige Ost-Oberhaupt Tino Schwierzina hingegen nicht gefallen lassen. Schwierzina hat nichts gegen Marx und Engels, SPD-Fraktionssprecher Stadtmüller mahnt beim Koalitionspartner Konsultationen an: »Die CDU muß mit uns erst mal über den Entwurf reden.« Mit der »Eile und Hektik« der CDU habe man Schwierigkeiten, so Stadtmüller. Die Bürger des Ostteils wollten schließlich ihre noch frischen »demokratischen Rechte wahrnehmen«.
Die FDP will die CDU unterstützen und fordert »eine Gesamtberliner Konzeption auf Senatsebene unter Einbeziehung des Abgeordnetenhauses«. Kritisch beurteilt werden von der FDP Entscheidungen wie die des Bezirks Mitte, die Otto-Grotewohl-Straße in Toleranzstraße umzubenennen, statt auf den im Westteil noch bestehenden Namen Wilhelmstraße zurückzugreifen. Solche Beschlüsse setzten die »Zweiteilung« fort. Berlin müsse aber signalisieren, daß es mit seiner »Vergangenheit fertig geworden ist«.
Peter Zotl (PDS) merkte an, daß in der Frage der Umbenennungen »Besonnenheit« gefragt sei. Was Fälle wie die Lenin-Allee und die Karl- Marx-Allee angehe, sollten Bürgerbefragungen her. Rückbenennungen, wie die der Jacques-Duclos- Straße in Möllendorfstraße, machten Berlin aber »international lächerlich«. Es könne nicht angehen, statt des Résistance-Kämpfers nun wieder den preußischen General aufs Schild zu heben, der die französischen Revolutionsheere bekämpft habe. Auch das Bündnis 90/Grüne will keinen »Schnellschuß« in Sachen Straßennamen. Fraktionschefin Künast will im Zuge der »Ost-Bereinigung« auch in den westlichen Bezirken mit »Altlasten« aufräumen. So seien 1936 rund um den Flughafen Tempelhof von den Nazis 16 Straßen nach »Fliegerhelden« des 1.Weltkriegs umbenannt worden — allen voran der »Rote Baron« und erfolgreiche Luftkampfkiller Manfred von Richthofen. Nach 1946 habe es Pläne gegeben, diese Namen durch pazifistische Schriftsteller und Politiker zu ersetzen. Die Änderung — der »Rote Baron« sollte dem 1934 im KZ getöteten Erich Mühsam Platz machen — sei nie erfolgt. Frau Künast: »Wenn wir schon Vergangenheitsbewältigung betreiben wollen, dann nicht nicht nur im Ostteil, sondern auch im Westen.« kotte/dpa
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