Neonazi-Aufmarsch am 03.10.: Zusammenhalten gegen Rechts

Berliner Initiativen machen mobil gegen einen Aufmarsch der rechten Kleinstpartei „Der III. Weg“. Ein Gastbeitrag.

Am 3.10. heißt es „Bunter Wind“ gegen braune Muskelkerlchen Bild: Berlin gegen Nazis

Ein Gastbeitrag von BERLIN GEGEN NAZIS

September 2020: Ostsee-Viertel Hohenschönhausen. 500m bis Brandenburg, angrenzend ein Naturschutzgebiet. Zwischen den Hochhäusern kleine Wäldchen mit Spielplätzen. Kreidemalereien am Vorplatz S-Bahnhofes Wartenberg, mittendrin der Schriftzug: „Gemeinsam für Vielfalt“.

Als die Berliner NPD im Februar 2016 im Hohenschönhausener Ostsee-Viertel aufmarschierte, sieht sie sich mit lauten Protesten aus der Zivilgesellschaft konfrontiert. Der NPD-Aufmarsch fand gegen Ende der von lokalen Rechtsextremen initiierten rassistischen Mobilisierungen gegen Geflüchtetenunterkünfte seit 2014 statt. Danach verlagerten sich die flüchtlingsfeindlichen Proteste für Jahre nach Berlin-Mitte. Seitdem war Berlin gegen Nazis nicht mehr in Hohenschönhausen aktiv unterstützend tätig. Die Mobilisierungsplattform begleitet berlinweit Engagierte, die Proteste im Umgang mit Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus organisieren.

Die am Nationalsozialismus orientiere Partei Der III. Weg will nun am 3. Oktober ihren ersten Aufmarsch in Berlin durchführen. Genau genommen verläuft die Route am äußersten nordöstlichen Stadtrand. Die bundesweite Mobilisierung dafür läuft seit Anfang August. Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin rechnet in ihrer aktuellen Einschätzung mit einer überregionalen Anreise: „Laut Homepage der rechtsextremen Kleinstpartei haben sich Anhänger aus Sachsen, Bayern, NRW, Hessen und Baden-Württemberg angekündigt. Von einer Beteiligung aus dem Berliner Umland muss ebenfalls ausgegangen werden, genauso wie mit einer Teilnahme von Anhängern anderer rechtsextremer Gruppierungen aus Berlin und Brandenburg.“

Die gewaltbereiten rechtsextremen Strukturen in Berlin sind seit Jahren in der Krise, ein Umstand, der laut dem antifaschistischen Pressearchiv Apabiz nun genutzt werden könnte: „‚Der III. Weg‘ könnte versuchen, das aktuelle Vakuum in der Szene für sich zu nutzen und die verbliebenen NeonaziaktivistInnen um sich zu sammeln, um so in Berlin künftig verstärkt aufzutreten.“

„Bunter Wind“ gegen Nazis

Der Aufmarsch soll am 03. Oktober um 14 Uhr auf dem Vorplatz S-Bahnhof Wartenberg an der Ribnitzer Straße starten und auf einem kurzen Rundkurs durch das angrenzende Wohngebiet führen. Berlin gegen Nazis hat in den Wochen seit der Aufmarschankündigung jahrelange Kontakte im Bezirk reaktiviert und viele Menschen im Ostsee-Viertel, engagierte Anwohner_innen und Akteur_innen lokaler Organisationen neu kennengelernt. Schon jetzt ist klar, dass die Aufmarschankündigung der Neonazis eine intensive und erfolgreiche Vernetzung zwischen den in der antirassistischen Kampagne „Bunter Wind“ versammelten Lichtenberger_innen und berlinweiten Bündnissen gegen Rechtsextremismus geschaffen hat. Auch Kontakte zu Initiativen aus den direkten Nachbarbezirken, aber auch aus Mitte, Neukölln und sogar nach Spandau sind weiter gewachsen.

Die Vorbereitungen für die gemeinsamen Proteste gegen die Neonazis stärken damit die demokratische Zivilgesellschaft Berlins als Ganze(s). Schon bevor Hohenschönhausen als Aufmarschort gesichert feststand waren die Protestvorbereitungen bereits in acht weiteren Bezirken angelaufen. Ist der jeweilige Bezirk nicht betroffen, helfen diese Vorbereitungen zur nachbarschaftlichen Unterstützung anderer Bezirke. Am 3. Oktober gibt es so entstandene Protestaufrufe und gemeinsame Anreisen nach Lichtenberg, zum Beispiel aus Treptow-Köpenick, Neukölln, Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte, Pankow und Marzahn-Hellersdorf.

Erstmals seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie mobilisiert die Berliner Zivilgesellschaft am 3. Oktober also geschlossen zu breiten Protesten gegen Rechtsextreme. Dies stellt auch eine große logistische Herausforderung für alle Beteiligten dar, gilt es doch solidarisches Abstandhalten und Sicherheit gebendes Zusammenstehen gegen Rechts auszutarieren. Entstanden ist ein umfangreiches und buntes Protestprogramm. Auch die Bezirksverordnetenversammlung des Bezirks Lichtenberg ruft in einer Resolution (PDF) zur Unterstützung der Proteste auf. Diese starten um 11 Uhr mit einer Kundgebung am Lichtenberger Bahnhof, organisiert vom Bündnis für ein weltoffenes und tolerantes Berlin und mit Reden vom Lichtenberger Bürgermeister, dem DGB und vielen mehr.

Im Anschluss geht es gemeinsam mit der S-Bahn zur zentralen „Bunter Wind“-Protestkundgebung mit Bühnenprogramm lokaler Künstler_innen und vielfältigen Redebeiträgen am Linden-Center. Mit weiteren Kundgebungen und Demonstrationen direkt an der Aufmarschroute wollen Berliner_innen, „Bunter Wind“ und ein Bündnis um Aufstehen gegen Rassismus und die Berliner VVN-BdA den Neonazis die Möglichkeit nehmen, sich im Wartenberger Wohngebiet frei zu bewegen. Das Berliner Bündnis gegen Rechts und weitere Initiativen rufen zudem dazu auf den Neonazi-Aufmarsch zu blockieren.

Wer mit dem Fahrrad anreisen will und beim Protestieren gern Musik hört, kann sich dem #Care4future Rave von Reclaim Club Culture anschließen, der um 12 Uhr an der Greifswalder Straße startet und von Westen kommend direkt an der Route der Neonazis protestieren will. Alle Protestorte, Uhrzeiten, Vortreffpunkte und Aufrufe sind auf berlin-gegen-nazis.de dokumentiert. Am Aufmarschtag selbst, dem 3. Oktober kann der Protestverlauf über zwei Live-Ticker von Berlin gegen Nazis verfolgt werden: über Twitter und in der projekteigenen Gegen Nazis App. Über die App lässt sich das Geschehen auch räumlich verfolgen – die Überblickskarte wird zur Orientierung in Hohenschönhausen am Tag des Aufmarsches in Echtzeit aktualisiert.

„Wir können auch mal Unterstützung brauchen. Danke.“

Viele Gründe, um am 3.Oktober nach Hohenschönhausen zu fahren und die Menschen im Ostsee-Viertel nicht mit den Neonazis vom „III. Weg „allein zu lassen. Natürlich werden die Omas gegen Rechts auch dabei sein. Sie lassen ausrichten: „Wir freuen uns sehr, dass ihr uns toll findet. Aber: wir können auch mal Unterstützung brauchen. Danke.“ In diesem Sinn: Zusammenhalten gegen Nazis!

Ein Gastbeitrag der Intiative Berlin gegen Nazis. Die Redaktion der taz macht sich die Aussagen von Gastautor:innen nicht notwendigerweise zu eigen. 

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