: Wohin wanderten Ringlein
■ Trickdiebstahl / Amtsgericht: Engländer darf auf Bewährung heimreisen
In wessen Taschen die zwei Ringlein, die im Juweliergeschäft Stein an der Bischofsnadel am 28. 3. 91 gestohlen wurden, wanderten, blieb gestern im Amtsgericht ungeklärt. Juwelier Stein hatte an diesem Nachmittag genau aufgepaßt, denn, wie er im Zeugenstand bekundete, hat er in seinem Laden selten englische Kundschaft. Die drei jungen Männer, die sich am 28. März Halsketten zeigen ließen, hatten sich gerade freundlich verabschiedet, als die Juwelierfachverkäuferin K. das Fehlen der beiden teuersten Ringe der Auslage bemerkte. Juwelier Stein zog das Jacket aus und stellte den Angeklagten Gary Q. nach kurzer Verfolgung. Nur die zwei Ringe im Wert von 10.000 und 20.000 Mark waren bei ihm nicht zu finden.
Richter Mertens und zwei Schöffen hatten in der gestrigen Verhandlung herauszufinden, ob Gary Q. die Brilliantringe genommen hatte, oder ob er sich eines gemeinschaftlich begangenen Trickdiebstahls schuldig gemacht hatte. Der 25-jährige Gary Q., Bauarbeiter und Soziologiestudent aus Liverpool, hatte auf seiner Deutschlandreise im Zug seine zwei neuen Freunde kennengelernt, denen er es zu verdanken hatte, die letzten zwei Monate im Untersuchungsgefängnis und gestern vor Gericht zu sitzen. Er bedauerte, in die Sache hineingeraten zu sein, und fühlte sich deswegen schuldig. Tatsächlich aber sei er ahnungslos gewesen. Den Grad seiner Ahnungslosigkeit konnte auch die Verhandlung nicht ans Licht bringen. Allerdings belastete die Verkäuferin und Zeugin K. den Angeklagten als einzig möglichen Täter. Dieser bezichtigte seine flüchtigen Bekannten, die nicht mehr zu ermitteln gewesen waren, der vorsätzlichen, ungesetzlichen Habgier. Das Gericht hielt ihm zugute, daß er bisher nicht straffällig geworden war und sich als Mittäter bekannte. Als Vorstrafenregister gab er an, vor sechs Jahren in England wegen Schwarzfahrens verurteilt worden zu sein. Gary Q., der dem Verfahren mit Hilfe eines Übersetzers folgte, konnte zwar seine Unschuld nicht beweisen, doch seine Reue glaubhaft machen. Das Urteil, sechs Monate auf Bewährung, bedeutet für ihn die baldige Heimreise zu seiner Freundin und seinem Kind. Für seinen künftigen Beruf als Sozialarbeiter konnte Gary Q., der so bald nicht mehr vorhat, nach Deutschland zu reisen, dem Verfahren vielleicht einige Erfahrung abgewinnen. Jok
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