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■ ...mit Dagmar Berghoff: Frischverheiratete Tagesschauspecherin tauft Bremer Schiffsmodell/Von Rettungslosen/Geschichten vom Hörensehen, die Sechzehnte

Herr Krimmel ist nicht zu beneiden: führ' mal eine Rettungsaktion durch, wenn Dagmar Berghoff neben dir steht! Herr Krimmel kuckt vorsichtshalber gar nicht hin, wo Frau Berghoff lacht in Rettungsrot. Denn schwierige Schiffsmanöver sind durchzuführen: Zum „Tag der Seenotretter“ am Wochenende haben Schiffsmodellbauer einen Planschhafen zum Zwecke der Vorführung und Frau Berghoff wegen Spenden auf den Hillmannplatz gestellt.

Am Hafenrand bäumt sich jetzt mit Fernsteuerung auf Herr Krimmel, Modellclub Frankfurt, und wirft eine Puppe ins Wasser. Die Seenot ist eröffnet: „Daatsache is, mane Damenunherrn, ain Mensch is ins Wassä gefallen!“ Aus seinem Hafeneckchen startet — brm, brrrmmmm — das Rettungsschifflein „Franz Stapelfeld“, Prototyp, und spritzt tüchtig. Herr Krimmel stoppt, kreiselt und dreht dann auf: Die „Stapelfeld“ zischt auf die Puppe zu, welche spätestens jetzt ertrinken würde. Das ist falsch, denn: „Wir Reddä sollen den Menschän nicht ins Wassä drüggen!“ Frau Berghoff lacht. Herr Krimmel errötet und muß nun die „Meschanik übälisten“, um den Menschen an den Haken zu nehmen und dort baumeln zu lassen. Der Mensch könnte jetzt, wenn Herr Krimmel wollte, gerettet werden. Wie ein Jubelchor preschen aus allen Ecken Schiffchen und spielen Überschäumen. Hui, Franz Stapelfeld alias Herr Krimmel wird mitgerissen und fährt eine scharfe Kurve auf Frau Berghoff zu, die juchzt im Tropfenwölkchen: Neinnein, Herr Krimmel, hat kaum gespritzt! Allein: die Volks-Menge mißbilligt derartiges Besprühen. Schließlich soll ihr Star trocken bleiben für die Autogrammstunde, die sich jetzt anschließt.

Auf der kleinen Bühne packt Frau Berghoff, bis zur Kenntlichkeit entstellt, hunderte von Dagmar-Fotos aus und ordnet zackig, Verehrung macht resolut, die unordentlich autogrammjagenden Horden, die ihr Scherzworte zurufen und „nachträglich herzlichen Glückwunsch“ zur Ehe. Obwohl, die kleine alte Dame kuckt mich verschwörerisch an, unter uns: Der neue Mann, der paßt ja nicht zu ihr „wegen dem Mund, ham Sie den gesehn? Viel zu breit!“ Die meisten gönnen Dagmar aber von Herzen, daß sie jetzt wo hinge

hierhin bitte

Dagmar Berghoff

hört und nicht mehr ihnen allen allein. Ein mittelaltes Pärchen ist im Dagmar-Schauer versteinert, bewegt aber noch die Lippen: Die ist live ja viel kleiner! Das macht das viele Sitzen, sage ich und ernte Tod und Vernichtung.

Neben Frau Berghoff sitzt ein Seebär der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger und versieht Wachdienst am kleinen Spendenschiff. Nein, die Spende ist nicht fürs Autogramm, sondern für Ertrinkende! Was ist, wenn man nur ein Autogramm haben will, aber kein gutes Herz?

Frau Berghoff sieht von ihrer Fleißarbeit auf und gewahrt, was uns beide verblüfft, mich. Der Seebär geht in den Wind: ohne Spende kein Autogramm! Nur wegen der Spende sitzt man ja hier. Also muß man das Autogramm bezahlen? Nein. Dann hätte ich gerne ein kostenloses Autogramm! Frau Berghoff greift durch: also fertig jetzt, kein Autogramm ohne Spende. Für eine Mark ist sie aber bereit, meinen Namen über ihren zu schreiben.

Claudia Kohlhase

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