: Opfer oder Täter?
■ 1.Doping-Prozeß: Biathlon-Trainer gegen Sportler
Mainz (taz) — Der Mainzer Apotheker Horst Klehr, Ansprechpartner für das Nachrichtenmagazin 'Der Spiegel‘, wenn es um Doping- Geschichten geht, trägt in diesen Tagen in seiner weißen Weste ein Röhrchen voll himmelblauer Pillen namens Turinabol, die einst in der DDR dafür sorgen sollten, daß für die Skisportler die Post abging.
Postum ging dieser Schuß im Biathlon nach hinten los. Vor dem Mainzer Landesgericht wird erstmals nach der sogenannten Wende konkret über einen Doping-Vorwurf verhandelt, der die gängigen Praktiken im Arbeiter- und Sportler-Staat mit aufdecken half. Apotheker Klehr, acht Jahre lang erfolgloser Dopingjäger des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, zeigte den anwesenden Journalisten in der Cafeteria des Gerichts stolz das Corpus delicti.
Der ehemalige Junioren-Weltmeister Jens Steinigen, inzwischen nach Ruhpolding übergesiedelt, beschuldigte — nachdem er sich nicht für die Weltmeisterschaften 1991 qualifizieren konnte — den früheren DDR-Coach und heutigen Bundestrainer Kurt Hinze, mit Doping gearbeitet zu haben. In einer Vorverhandlung wurde nun für den 26. Juni ein Beweisbeschluß festgelegt.
Hinze jedoch hat verdammt schlechte Karten, da er beweisen muß, daß Steinigens unter anderem am 19. Januar in der ZDF-Unterhaltungssendung Aktuelles Sportstudio geäußerten Tatsachenbehauptungen nicht der Wahrheit entsprechen. Das dürfte nicht einfach sein, denn Hinze muß Zeugen bringen, die aussagen, ob er im Trainingslager 1985 im schwedischen Kiruna wirklich in der fraglichen Mannschaftsbesprechung mit Trainern und Ärzten die Athleten auf die Anabolika-Linie brachte.
Heckenschütze Steinigen erhielt bei seinen ins Mark treffenden Schuldzuweisungen Rückendeckung vom Biathlon-Genossen Jürgen Wirth und den Skilangläufern Uwe Bellmann und Holger Bauroth, der die „blauen Blitze“, wie das Turinabol liebevoll in Expertenkreisen genannt wurde, nach zwei Jahre langem Konsum 1987 zurückgab. Diese drei Buben sollen in der Anabolika-Skatrunde vor dem Mainzer Landesgericht (voraussichtlich im November) auch als Zeugen auftreten.
Der verschämte Kläger Kurt Hinze, neben dem auch seine Kollegen Frank Ullrich und der frühere DDR-Cheftrainer Wilfried Bock (heute DSV-Nachwuchstrainer) beschuldigt wurden, legt seine Klage offensichtlich von vornherein auf einen Vergleich an: Sollte Jens Steinigen nicht gerichtlich zum Widerruf seiner Behauptungen gezwungen werden, dann möge man ihn bitte dazu anhalten, diese Beschuldigungen nicht länger aufrechtzuerhalten.
Hinzes Anwalt Blitz meint zu der „Blauen-Blitz-Affäre“: „Wenn er diesen Schritt geht und keinen Erfolg hat, hat er mehr Nachteile, als wenn er die Finger davon gelassen hätte.“ Für Steinigens Verteidiger steht jedenfalls fest: Zu einem Vergleich wird es in diesem Verfahren nicht kommen. Andreas Singler
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen