: „Ich siege, weil ich mein Spiel spiele“
So einfach kommentierte Boris Becker sein überragendes Viertelfinal-Spiel gegen Michael Chang Auch Steffi Graf siegte unproblematisch in nur 57 Minuten gegen die Französin Natalie Tauziat 6:3, ■ Aus Paris André L'Heureux
Steffi Graf saß bereits im großen Interviewsaal und harrte der da kommenden Fragen, als Boris Becker noch auf dem Centre Court schwitzen mußte. Aber es war der Tag der Deutschen und nichts konnte schiefgehen. Denn sowohl die wiedererstarkte Brühlerin, als auch der durch die harten Matches gegen Todd Woodbridge und Francisco Clavet „gestählte“ Boris Becker erreichten locker und vor allem ohne Satzverlust das Halbfinale.
6:4, 6:4, 6:2 lautete die Beckersche Erfolgsbilanz gegen den US- Amerikaner Michael Chang, dem an diesem Tag nicht viel gelang. 16.000 Zuschauer staunten ehrfürchtig über das beste Sandplatz-Tennis, das Boris Becker wohl bisher gelang. „Ich spiele mein Spiel, deshalb gewinne ich“, vereinfachte der 23jährige seine Galavorstellung, die dem French-Open-Sieger von 1989 nur eine Statistenrolle zugedacht hatte. „Chang liebt lange Ballwechsel, doch diesen Gefallen habe ich ihm nicht gemacht“, frohlockte Becker, nachdem er zum dritten Mal in Paris das Halbfinale erreichte.
Als die beiden Spieler den Platz betraten, war die Reihenfolge noch umgekehrt: Chang, den Blick wie ein Mönch starr auf den Boden gerichtet, kam als erster aus den Katakomben. Nach rund zwei Stunden und vierzig Minuten verschwand der kleine US- Boy sang- und klanglos wieder in der Kabine, während Becker Autogramme gab und dem Publikum am Ende sogar applaudierte — bevor auch er schließlich seinen Interviewpflichten nachkam.
Die hatte Steffi Graf da schon hinter sich und war bereits auf dem Weg in die Innenstadt, um sich ein „kleines Schwarzes“ für die Turnier-Gala zu besorgen. Zuvor hatte sie ihre Erfolgsbilanz gegen die Französin Natalie Tauziat in nur 57 Minuten auf 14:0 hochgeschraubt — und zugleich die letzte Spielerin des Gastgeberlandes aus dem Rennen geworfen. „Ich spiele im Moment sehr gut, vor allem mein Aufschlag ist besser geworden“, tröstete Steffi Graf die chancenlose Französin.
Im Halbfinale trifft Steffi Graf auf Arantxa Sanchez-Vicario, die wie 1989 bei ihrem Turniersieg Mary Joe Fernandez (USA) bezwang. „Sie spielt aggressiv und fightet um jeden Ball“, weiß die Weltranglistenzweite und fügt selbstbewußt hinzu: „Aber ich bin bereit.“ Die Troika der sich um die Nummer eins im Damen- Tennis streitenden jungen Damen Graf, Sabatini und Seles wäre übrigens beinahe zum Duo geschrumpft: 5:7 und 2:5 lag die Argentinierin Sabatini bereits gegen die Tschechoslowakin Jana Novotna zurück, mußte gar zwei Matchbälle abwehren, bevor sie die nach dem verlorenenen Tie-Break nervlich auf dem Zahnfleisch gehende Novotna im dritten Durchgang förmlich demontierte.
Bei den Damen im Halbfinale also: Seles gegen Sabatini und Graf gegen Sanchez. Bei den Herren steht fest, daß Boris Becker es mit dem bisher brillant auftrumpfenden Andre Agassi zu tun bekommt. „Ich bin bereit, endlich ein Grand Slam-Turnier zu gewinnen“, fühlt der mit Stirnband, Pferdeschwanz und buntem Outfit spielende Agassi, aber vor Becker hat er gehörigen Respekt: „Auf Sand bin ich gegen Boris normalerweise Favorit, aber er kann auf jedem Belag Weltklasse-Tennis spielen, wenn er nur will.“ Vorher jedenfalls dominierte Agassi den Schweizer Jacob Hlasek ohne größere Probleme. Der hatte wenigstens in der Pressekonferenz die Lacher auf seiner Seite. Auf die Frage, ob er mit den Journalisten übereinstimme, daß ihm heute so gut wie nichts gelungen sei, antwortete der Schweizer trocken: „Das würde ich nicht so sagen. Beim Urinlassen für die Dopingprobe vor ein paar Minuten ist es gelaufen wie selten zuvor.“
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