Südkoreas Studenten im Gegenwind

■ Die Regierung in Seoul profitiert von der öffentlichen Empörung über Aktionsformen der Studenten

Seoul (dpa/ap) — Kein Ereignis hat in den letzten Wochen die Wellen der Emotionen in Südkoreas Medien höher schlagen lassen, als die Attacke vom Montag, als Studenten Premierminister Chung Won Shik an einer Hochschule mit Eiern bewarfen und Fußtritten traktierten. Einen solchen Angriff von Studenten auf einen Premierminister hatte es in der Geschichte des Landes noch nicht gegeben. Staatschef Roh Tae Woo kündigte drakonische Maßnahmen gegen den Studentenaktivismus an.

Am Mittwoch stürmten 1.000 Bereitschaftspolizisten eine Seouler Universität. Dort, wie auch vor einer anderen Hochschule, bekämpften sich beide Seiten mit Steinen, Molotowcocktails und Tränengas. 18 angeblich radikale Hochschüler wurden verhaftet, nach 100 weiteren wird gefahndet. Am gleichen Tag bot Bildungsminister Yoon Hyoung Sup seinen Rücktritt an.

Der am Montag angegriffene Premier, erst acht Tage im Amt, gilt den Studenten als der Inbegriff von Repression, weil er sich als ehemaliger Erziehungsminister gegen eine Reform des Bildungswesens stemmte und eine Lehrergewerkschaft verhinderte. Doch die gewaltsame Aktion der Studenten trifft auf wenig Sympathie. Auch Oppositionsparteien verurteilten das Vorgehen aufs Schärfste. Gleichzeitig ermahnten Oppositionelle und Dissidenten die Regierung aber, den Vorfall nicht zum Anlaß zu nehmen, Kritiker mundtot zu machen. Die Reaktion der Regierung macht nur allzu deutlich, wie Beobachter meinen, daß in Südkorea demnächst wieder ein schärferer Wind blasen könnte. So wurden am Mittwoch Pläne der Seouler Führung bekannt, wonach diese beabsichtigt, eine Sonderorganisation zur Niederschlagung des „Linksradikalismus“ an südkoreanischen Universitäten einzurichten. Dabei soll angeblich der einstige deutsche Radikalenerlaß Pate gestanden haben, wie aus Regierungskreisen verlautete.

Staatschef Roh Tae Woo und seine regierende Demokratisch-liberale Partei, die nach den Maidemonstrationen und etlichen politischen Affären an Ansehen verloren hatte, erlebten durch den Angriff auf den Premier eine unverhoffte Aufwertung. Die Aktion der Studenten hat, so politische Beobachter, nicht nur die Hochschüler in die Isolation getrieben, sondern der gesamten Opposition mit ihren Forderungen nach demokratischen Reformen geschädigt.