Nato gewährt EG kleine Freiheiten

■ Europäische Institutionen aufgewertet/ KSZE, EG und WEU sollen sich an Sicherheitspolitik beteiligen/ Nato verlangt „Transparenz und Komplementarität“

Kopenhagen (afp/dpa/taz) — Um eine Entscheidung über das künftige Verhältnis zwischen Europäern und Amerikanern herumgemogelt haben sich die Nato-Außenminister bei ihrer Frühjahrstagung in Kopenhagen. Bei dem gestern zu Ende gegangenen Treffen haben die sechzehn Außenminister den Willen zur Reform der Allianz bestätigt und die Weiterentwicklung der EG festgelegt. Beides soll parallel verlaufen. Den Europäern soll nicht vorgeschrieben werden, in welcher Form sie ihre sicherheits- und verteidigungspolitische Identität verwirklichen. Andererseits muß die EG die „Transparenz und Komplementarität“ ihrer Bemühungen mit dem Bündnis gewährleisten und die europäischen Nato- Partner, die nicht in der EG sind, „angemessen an ihre Sicherheit betreffenden Entscheidungen beteiligen“. Zugleich definierten die Minister die künftigen „grundlegenden Aufgaben des Bündnisses“. Am 7. und 8. November soll die Nato-Reform mit einem Gipfeltreffen in Rom abgeschlossen werden.

Nach den Beschlüssen von Kopenhagen soll die Nato weiterhin vier Kernaufgaben erfüllen: Sie ist „eines der unverzichtbaren Elemente für ein stabiles sicherheitspolitisches Umfeld in Europa“, dient als „transatlantisches Forum für Konsultationen“, bietet Schutz gegen Aggressionen und Angriffe auf die Mitgliedsstaaten und wahrt das strategische Gleichgewicht in Europa. Neben der Nato räumten die Minister erstmals auch den zahlreichen europäischen Institutionen, der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), der EG und der Westeuropäischen Union (WEU) Kompetenzen ein. Eine Ausdehnung des Nato-Vertragsgebiets in Richtung Osten wurde abgelehnt. Unter dem Stichwort „Liaison-Konzept“ bieten die Minister Osteuropa den Ausbau der Beziehungen, ohne jedoch die gewünschten Sicherheitsgarantien zu geben. Zu dem anvisierten Beziehungsgeflecht nach Osteuropa — Sowjetunion eingeschlossen — hat die Nato in Kopenhagen eine Vorschlagsliste vorgelegt.

Am Ende des zweitägigen Treffens kamen gestern zufriedene Äußerungen von allen beteiligten Seiten, wenngleich sich die Einschätzungen erheblich unterschieden. Bundesaußenminister Genscher lobte die Aufwertung von Europas Rolle in der Sicherheitspolitik. Ein britischer Vertreter hingegen meinte, die Vereinbarungen zwischen Europa und der Nato seien „noch nicht gelöst“. Die Einschätzung der Amerikaner machte der süffisante Kommentar eines hohen US-Beamten in Kopenhagen deutlich: „Ich habe das Gefühl, daß die Europäer ihre Angelegenheiten viel besser entscheiden können, wenn wir dabei sind.“ dora