: „Schande über uns“
■ Zur diesjährigen Bundesfilmpreis-Verleihung
Da standen sie nun, die Bundesfilmpreisträger des Jahres 1991. Leicht angegraute Herren in gutsitzenden Anzügen, Werner Schroeter und Volker Schlöndorff, Roland Gräf und Frank Beyer und — Julie Delpy. Männer um die 50 (mit der Frau ihrer Träume), denen ein Herr ihres Alters — Bundesinnenminister Schäuble — Preise aushändigte, über die eine Auswahlkommission, bestehend aus ebensolchen älteren Herrschaften, entschieden hatte. Und die Filme handeln von Midlife-Crisis (Homo Faber), resignierendem Mitläufertum (Der Tangospieler, je ein Filmband in Silber) oder schlicht dem angestrengten Kunstwillen ihres Regisseurs (Malina, Filmband in Gold, außerdem Einzelauszeichnungen für Montage, Regie und Isabelle Huppert). Larmoyanz in besserem Mobiliar war heuer der Geschmack unserer öffentlich- rechtlichen Filmförderer.
Einer wenigstens begriff, daß das hier preisgekrönte Kino nicht das Kino ist, das öffentliche Förderung verdient hätte: „Schande über uns“, sagte er, „denn wir sind nicht auf der Höhe der Wirklichkeit unserer Zeit und dieser Stadt.“ Ein Akt der Selbsterkenntnis, den man Volker Schlöndorff kaum zugetraut hätte.
Und eine wenigstens störte Betriebsfrieden und Showbiz, höflich und bescheiden: Sybille Schönemann, Regisseurin des Dokumentarfilms Verriegelte Zeit (Filmband in Silber), eines Films über die Verantwortlichen für Schönemanns Abschiebung in den Westen, wollte sich die emphatisch vorgetragenen Appelle zur Rettung der DEFA nicht länger anhören. Sie kenne Menschen, mahnte die frühere DEFA-Dokumentarfilmerin, die an den Praktiken dieser angeblich ach so guten alten DEFA zerbrochen seien. Daß neben ihrem Film, der die Täter und Mitläufer nicht in Ruhe läßt, auch Gräfs Tangospieler versilbert wurde, der eilfertig seinen faulen Frieden macht mit 40 Jahren Unrechtsstaat [chp weiß bescheid! — die k.in], wirkt da nur noch peinlich.
Aber was soll der Ärger: Die kleinen, die allerneuesten deutschen Filme, die von Detlev Buck, von Dani Levy oder von Nico Brücher, werden bei der Bundesfilmpreisverleihung schon seit Jahren übergangen. Das Geld kriegen außerdem gar nicht die Regisseure. Die 900.000 DM für Malina gehen nicht an Herrn Schroeter, sondern an die Brüder Kuchenreuther. Die waren so wagemutig, einen aufregenden Roman von Ingeborg Bachmann mit einer nicht minder aufregenden Drehbuchautorin wie Elfriede Jelinek, einem namhaften Regisseur wie Werner Schroeter und einer Isabelle Huppert zusammenzubringen. Nur ist das Experiment leider mißlungen. Hoffen wir auf ihr nächstes. chp
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen