: Es muß etwas geschehen. Es wird nichts geschehen.
Auf dem „kleinen Parteitag“ der CDU in Weimar sollen Kontroversen vermieden werden/ „Mit Kohl zusammen die Zeit nach Kohl“ planen. ■ Von Ferdos Forudastan
Bonn (taz) — „Da müßte eigentlich was passieren“, sagt der junge CDU- Abgeordnete Ronald Pofalla. Und: „Da wird aber nichts passieren.“ Die Prognose des CDU-Nachwuchsmannes gilt dem sogenannten kleinen Parteitag der CDU, der am Montag in Weimar stattfindet — ein Ereignis, das in für die Partei guten Zeiten nur wenig Aufmerksamkeit erregen würde. Die Zeiten für die Union sind aber nicht gut.
In Hessen, Rheinland-Pfalz und Hamburg hat sie Wahlen verloren. In Meinungsumfragen sackt sie weiter ab. So wird das Grummeln im Parteiinneren lauter. Allerdings ganz langsam. Zu langsam, als daß es Helmut Kohl stört. Zu langsam wohl auch für öffentlichen Streit auf dem Parteitag.
Dabei hatten sich immer wieder in jüngster Zeit Kontroversen angekündigt. Heiner Geißler etwa warf in zahlreichen Interviews seiner Partei vor, sie habe — vor allem in der Steuerfrage — klare Fehler gemacht. Außerdem fordert er, sich mehr über Grundsätzliches und Konzeptionelles in der Partei auseinanderzusetzen. Damit widerspricht der ehemalige CDU-Generalsekretär — neuerdings sekundiert von Umweltminister Töpfer — Helmut Kohl, der schon die Worte Fehler und Strategiediskussion überhaupt nicht hören mag.
Auch Ulf Fink, Chef der CDU- Sozialausschüsse, kritisierte seine Partei öffentlich. Den Menschen müsse die CDU „zunächst einmal die Wahrheit sagen“, befand er in einem Strategiepapier für den Bundesvorstand. Auf die Westdeutschen kämen „höhere Belastungen zu, und das nicht nur für ein Jahr“. Dies müsse so auch gesagt werden. Anders Helmut Kohl: Er spricht immer nur von einer kurzen „Durststrecke“, die die Union ebenso wie die Bevölkerung nun einmal hinter sich bringen müsse.
Schließlich tritt auch der christdemokratische Nachwuchs seinem Chef ein klein wenig unzarter auf die Füße als bisher. So werfen die Newcomer den Führungsgremien vor, daß über die verlorenen Wählerstimmen und die schwindende Stimmung für die Union kaum diskutiert werde. Für „eine Katastrophe“ hält es etwa ein Jungpolitiker aus dem sogenannten Reformlager, daß Helmut Kohl auf der ersten Fraktionssitzung nach der Rheinland-Pfalz-Wahl „über alles geredet hat, nur über dieses Desaster nicht“. Und „total sauer“ ist auch Stefan Schwarz, 28jähriger Bundestagsabgeordneter, Kohl- Zögling und christdemokratischer Hoffnungsträger, über die „unglaubliche Begabung dieser Partei, alles Unangenehme zu verdrängen“. Und „Unangenehmes“ sieht er nicht nur in den Wahlergebnissen: „Wir haben bei den unter Vierzigjährigen keine Mehrheit mehr. Nichts von dem, was wir machen, kommt mehr wirklich rüber. Die Zeit läuft uns davon.“
Freilich: Ein paar unzufriedene „Reformer“ und ein paar kecke Jungunionisten machen noch keinen Aufstand gegen die Partei unter der Führung von Helmut Kohl. Anders als vor zwei Jahren scheint kaum mehr jemand mit Rang und Einfluß in der Union dem übermächtigen Parteichef überhaupt an den Kragen zu wollen. — einem Parteichef, der alle Anfechtungen siegreich überstanden und ihre InitiatorInnen erfolgreich ins Abseits gedrängt hat.
„Wie bereiten wir mit Kohl zusammen die Zeit nach Kohl vor“ — so zeichnet Stefan Schwarz die Linie, auf die sich parteiinterne Kritiker nun festgelegt hätten. Schwarz wie sein Parteifreund und Fraktionskollege Ronald Pofalla (31) haben sich hierzu vorgenommen, in der Union für etwas zu kämpfen, was ihrem Bekunden nach auch Helmut Kohl unterstützt: den Generationenwechsel der Union, der heute noch in weiter Ferne liegt. Sie wollen dafür sorgen, daß „endlich Leute bei uns eine Chance bekommen“, so Pofalla, „die die gute Politik der Union auch gut verkaufen“.
Außenpolitik, Europapolitik, Sicherheitspolitik, Wirtschaftspolitik – all dies, so findet Stefan Schwarz, meistere die CDU, meistere Helmut Kohl „brillant“. Auch besetze seine Partei wichtige soziale innenpolitische Themen — die Pflegeversicherung etwa, die Umsetzung der Gleichberechtigung von Mann und Frau — „eigentlich ganz gut“. Allerdings: „Es werden keine Leute herangelassen, die dafür stehen, die dies alles auch vertreten.“
Stefan Schwarz und Ronald Pofalla wie auch Heiner Geißler und Ulf Fink sehen solche Leute. „Was ich noch nicht sehe, sind diejenigen, die ihren Platz räumen, um jüngeren Platz zu machen“, bedauert Ronald Pofalla. Hoffnungen setzen die jungen Christdemokraten nun in einen, der dafür berüchtigt ist, daß er alle, die einmal wichtig und stark werden könnten, deckelt und notfalls bekämpft oder — politisch — vernichtet: Helmut Kohl.
Stefan Schwarz scheint dies nicht zu entmutigen. Immer wieder, versichert er, habe ihm der Kanzler selbst zu verstehen gegeben, daß die Partei überaltert sei, daß neue Leute ranmüßten. „Und so kann ich bestimmt sagen: er steht da auf unserer Seite.“
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