Torlose Selbstkritik

■ In einem Qualifikationsspiel zur Fußball-Bundesliga der Frauen trennten sich Tennis Borussia und LTV Löwenich 0:0

Charlottenburg (taz) — Es schien gerade so, als beschäftigten sich die Zuschauer vor dem Match zwischen TeBe und dem LTV Löwenich nur mit einer Frage: Würden sich die Berlinerinnen die harsche 'taz-Kritik vom 13. Mai zu Herzen nehmen und endlich wieder eine überzeugende Leistung bieten? Damals, beim Berliner Pokalendspiel, waren die Borussinnen auf dem Nullpunkt angelangt, was für die Bundesliga-Aufstiegsrunde nur Schlimmes erahnen ließ.

Doch dem 0:1 beim Favoriten Brauweiler folgte TeBes 2:0-Heimsieg über Delmenhorst. Also, spricht der Fußball-Chronist, kam dem Spiel am Sonntag gegen Löwenich (bisher ein Unentschieden und eine Niederlage) Schicksalscharakter zu.

Die Gastfrauschaft aus der Kleinstadt zwischen Aachen und Mönchengladbach hielt es von Beginn an mit Bakunin. „Die Lust am Zerstören ist eine schaffende Lust“, hatte der Anarchist gepredigt, und so beließen es die rot-schwarz gekleideten Rheinländerinnen dabei, die Aufbauarbeit der Charlottenburgerinnen zu demontieren. Kaum wollte ein lila gewandetes Veilchen den Ball vorübergehend adoptieren, preschte auch schon ein Bein des Gegners in die Parade.

„Mehr Musik vorne, Mädels!“, machte sich Löwenichs Trainer Toni Zündorf an erträglicher Stelle Luft und rief seine „Alex“, „Rudi“ oder „Sepp“ zur Propaganda der eigenen Tat auf. Nun stürmte die vom Trainer verbal ausgesparte, doch vom Löwenich-Clan umso heftiger geforderte Dorothea „Doro“ Schotten immer häufiger gegen das Tennis-Tornetz. Als sie einmal nicht durch ein Foul gestoppt werden konnte, angelte Borussen-Torfrau Manuela Lütke den Ball gerade noch aus der kurzen Ecke.

Zur Halbzeit stand es 0:0. Aber wie sagt der Reporter Volksmund: Den Chancen nach hätte das Ergebnis auch andersrum lauten können. In den zweiten vierzig Minuten hatten sich beide Teams von ideologischen Zwängen befreit. TeBe-Trainerin „Charlie“ Streufert beorderte Vorstopperin Kerstin Elger in die Offensive, während Toni von der Gegenseite Ernst Happels Forechecking für Bakunins Klopperherrlichkeit einwechselte.

Aber jedesmal, wenn der Torschrei auf die 171 Gesichter des Publikums am Kühlen Weg huschen wollte, war alle Vorfreude vergebens. Die „scheiß Pille“ (Tenor im TeBe-Block) wollte ebensowenig zwischen die Torpfosten wie das „kanzlermäßig dämliche Ei“ (ein mitgereister Löwenicher). Oder lag es wirklich an den prächtigen Paraden der Torfrauen Manuele Lütke (TeBe) und Ines Martin (Löwenich)?

Eine Viertelstunde vor 13 Uhr hörten beide Clubs mit Fußball auf und begannen zu rechnen. Das Dumme an einem torlosen Kick ist, daß man nie weiß, wer eines Tages darüber lachen kann. Noch führen die Berlinerinnen im Fight um den wichtigen zweiten Platz knapp vor Löwenich, wo man bereits nächsten Sonntag anzutreten hat. Jürgen Schulz