: Die alten Fragen tauchen auf
■ Betr.: "Weiter so - Deutschland?", taz vom 4.6.91
betr.: „Weiter so — Deutschland?“, Kommentar von Florian Marten, taz vom 4.6.91
Saubere Ghost-writer der linken Bourgeoisie bezeichnen linke Ideologie teils „fast schon reaktionär“ oder überholt (Ideologie als solche) oder sie pfeifen wie die Autonomen auf links wie rechts und bilden sich zwischen den Fronten als selbstüberschätzten, aber zur Selbstfindung notwendigen Lernprozeß im Kontinuitätszusammenhang einer Dialektik aus Theorie und Praxis.
MLer versteifen oder verlassen sich oft zu sehr auf die Dialektik von Analyse und Agitation, überlassen die Praxis gern anderen und jagen akademischen Werten nach. Logisch haperts dann auch am Selbstverständnis. Man traut ihnen zu recht nicht mehr.
Die alten Fragen tauchen auf, die Frühschriften, die sich noch nicht so radikal von den Bakunisten trennten wie nach der Ersten Internationale, die Organisationsfrage: am kontroversesten zwischen dem frühen Trotzki, Rosa Luxemburg und Lenin: Partei oder nicht beziehungsweise wie organisiert sich die Partei... die Partei, die Partei, die Partei.
Die neue Linke wollte weg von diesen Organisationsstrukturen und differenziertere aufbauen, via Räte, Rotation und Quotierung. Ebenso besteht seit Hotschi-minh, Mao, Guevara... die Guerilla als dialektische Einheit (Berufsrevolutionär) traditionellen politischen Organisationen skeptisch bis konfrontierend gegenüber. Die linke Ideologie scheint konservativ und überholt zu sein, nur vergißt man dabei ein großes kollektives Potential an organisiertem Wissen, das der Selbstfindung und Koordination aller Kräfte aus Ökologie, Basisinitiativen, Betriebsgruppen, Häuserkämpfern, Religion, Kultur und Sport bis zu den Streetfightern reichen könnte. Es fehlt also nicht die Organisationsform, sondern die Bereitschaft zur Koordination aller Kräfte, die fast nur bei praktischen Auseinandersetzungen und Kämpfen einsetzt und sich reformkapitalisieren, also bitte ohne Sanierung, bleibt die radikale Praxis oder Bedürfnisorganisation aus. Ich denke, daran muß gearbeitet werden. Pijotr Staimmer, (West-)Berlin
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