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Souveränität beweisen

■ Betr.: "Richter bleiben hart: Zwölf Jahre für RAF-Aussteigerin", taz vom 4.6.91

betr.: „Richter bleiben hart: Zwölf Jahre für RAF-Aussteigerin“, taz vom 4.6.91

Susanne Albrecht wurde für ihre Taten als Mitglied des harten Kerns der „Rote Armee Fraktion“ (RAF) zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Der Gerichtsvorsitzende erwähnte ausdrücklich die gesetzliche Möglichkeit der Freilassung nach Verbüßung bereits der Hälfte der Strafe. Wollte er sich entschuldigen? Warum dann dieses gewiß harte Urteil?

Zwölf Jhre Freiheitsstrafe mit dem Ziel — laut Strafvollzugsgesetz — der Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Susanne Albrecht war bereits eingegliedert.

Um keine Mißverständisse aufkommen zu lassen: Ich sympathisiere nicht mit den Taten der RAF- Mitglieder, die schrecklich waren und immer noch sind. Ich sympathisiere aber mit Menschen, die zur Einsicht gekommen sind, die aus dem Teufelskreis der Gewalt ausgebrochen sind. Die Berichterstattung und Äußerungen von Alexander von Stahl und Politikern belegen, daß die Situation sich wieder zuspitzt. Aus dem letzten Hungerstreik aus dem Jahr 1989 haben wir scheinbar nichts gelernt. Fehler aus der Vergangenheit wiederholen sich; ich sehe ähnliche Reaktionsmuster. Eine gewaltfreie und sachliche Konfliktlösung scheint nicht wirklich gewollt zu sein, denn wo Offenheit und Dialog vonnöten sind, herrscht nur noch Angst und Befürchtung. Das jetzige Urteil trägt nicht zur „Abrüstung“ im Strafvollzug und Strafrecht bei.

Sanktion und Strafgelüste sind bei der Konfliktbewältigung fehl am Platz. Über neun Jahre habe ich als Gefängnisseelsorger zwei ehemalige RAF-Mitglieder begleitet. Ich weiß also, worüber ich spreche und fühle mich verpflichtet, erneut an die Verantwortlichen zu appellieren: Verhärtet Euch nicht, macht Kommunikation möglich. Ich möchte an alle Inhaftierten sowie deren Angehörige appellieren, an die politisch Verantwortlichen und BürgerInnen unseres Staates. Der Gewalt eines anderen läßt sich wirklich wirksam nur in gewaltfreier Konfliktlösung begegnen. Oder, wie es Dorothee Sölle formuliert: „Nur wenn dem Gegner keine Vernichtung droht, nur wenn er spürt, auch sein Wohlergehen sei gemeint, nur dann besteht Aussicht, auch ihn aus dem Zwang seiner zerstörerischen Reaktionsmechanismen zu befreien.“

Es wäre dringend an der Zeit, daß endlich Inhaftierte, deren Angehörige, Politiker und Kirchen miteinander sprechen würden. Niemand würde sich dabei eine Blöße geben oder Schwäche zeigen. Im Gegenteil: Er bewiese Souveränität. Pfarrer Hubertus Janssen,

Limburg

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