: Über dem Gipfel hängen dunkle Wolken
■ Auch an diesem Wochenende wurde über den Termin des Treffens zwischen Bush und Gorbatschow keine Einigung erzielt
Genf/Washington (ap) — Das angestrebte Gipfeltreffen der Supermächte ist am Wochenende wieder in die Ferne gerückt, nachdem den Außenministern James Baker und Alexander Bessmertnych bei einem dreistündigen Gespräch in Genf kein Durchbruch bei ihren Verhandlungen über die Reduzierung der ballistischen Interkontinentalraketen (START) gelungen war. Ein Regierungsbeamter in Washington äußerte Zweifel daran, daß die Begegnung der Präsidenten George Bush und Michail Gorbatschow noch im Juni oder Juli stattfinden werde. Baker überreichte bei dem Genfer Treffen eine Botschaft von Bush an Gorbatschow, Bessmertnych versprach eine rasche Antwort.
Einig sind sich Beobachter darüber, daß die seit neun Jahren andauernden Verhandlungen über eine dreißigprozentige Verringerung der strategischen Atomwaffen, deren erfolgreicher Abschluß als Voraussetzung für das Gipfeltreffen gilt, zwar die Endphase erreicht haben, daß nun aber auch besondere Schwierigkeiten zu überwinden sind. Baker und Bessmertnych kamen bei ihrem Treffen am Samstag in Genf so wenig voran, daß sie entgegen der üblichen diplomatischen Praxis erst gar nicht von Fortschritten sprachen.
In James Bakers Umgebung hieß es, etwa eine Handvoll technischer Fragen seien noch zu lösen, doch die seien so kompliziert, daß selbst einige Experten in der Regierung der USA einräumten, sie verstünden nicht alle Einzelheiten. So ist umstritten, wie viele Sprengköpfe eine Rakete in Zukunft tragen darf und in welchem Umfang Informationen über Testflüge ausgetauscht werden sollen.
Ein konkreter Termin für das Gipfeltreffen ist nicht erörtert worden. Bessmertnych erklärte auf eine Frage: „Wir haben gerade erst mit der Arbeit angefangen. Deshalb wirken wir so ernst.“ In Washington meinte ein hoher Regierungsbeamter über den angestrebten Gipfel: „Er wird nicht im Juni stattfinden, und er wird vielleicht nicht nicht im Juli stattfinden.“
Ursprünglich war die Unterzeichnung des START-Vertrages ebenso wie das Gipfeltreffen bereits für Februar geplant gewesen. Für den mehrmonatigen Aufschub hatten der Golfkrieg sowie Streitigkeiten bei der Auslegung des im November vorigen Jahres unterzeichneten Vertrages über die Verringerung der konventionellen Waffen in Europa gesorgt. Interesse an einem baldigen Zustandekommen des Spitzentreffens hat vor allem Michail Gorbatschow, dort wird er seinen Wunsch nach wirtschaftlicher Hilfe des Westens für sein Land erläutern. Kein Grund zur Eile haben dagegen die Vereinigten Staaten. Im Gegenteil: Eine abwartende Haltung könnte die Sowjetunion ihrer Meinung nach zum Einlenken in den strittigen Abrüstungsfragen bewegen.
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