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Kambodschas Frieden ferner denn je

Nach dem Scheitern der jüngsten Verhandlungen in Djakarta droht nun die Entscheidungsschlacht zwischen Regierung und Roten Khmer um die Bergwerke von Pailin/ Prinz Sihanouk gibt Rätsel auf  ■ Von Larry Jagan

London (taz) — Es ist in den letzten drei Jahren zur Routine geworden, daß sich die vier kambodschanischen Bürgerkriegsparteien — die Regierung in der Hauptstadt Phnom Penh unter Hun Sen und die Dreierkoalition unter Prinz Sihanouk, welche die Roten Khmer einschließt — zu Verhandlungen treffen. Und immer wieder passiert dasselbe: Zuerst herrscht Optimismus, dann erfolgt eine scheinbare Einigung ohne einen wirklichen Durchbruch, und zum Schluß spricht sich Sihanouk gegen jede angeblich getroffene Vereinbarung aus. Der Bürgerkrieg geht unterdessen weiter. „Wenn der Frieden kommt“, so ein Bauer, „wird niemand mehr übrig sein, um ihn zu genießen.“

Auch die Friedensgespräche von Djakarta letzte Woche folgten diesem Schema. Die konkret anmutende Vereinbarung, Prinz Sinhanouk und Ministerpräsident Hun Sen würden in der zu bildenden Übergangsregierung, dem Kambodschanischen Nationalrat (SNC), respektive die Posten des Präsidenten und Vizepräsidenten einnehmen, löste sich in Luft auf, als Sihanouk nach seiner Rückkehr nach Bangkok am Freitag erklärte, er wolle lediglich einfaches SNC-Mitglied sein. Damit wurde der Friedensprozeß noch konfuser, als er ohnehin ist. In Djakarta hatte Khieu Samphan, der Führer der Roten Khmer, Hun Sen eine „Marionette“ Vietnams genannt und erklärt, es könne kein Abkommen über eine Übergangsregierung geben, solange Phnom Penh nicht einen formellen Waffenstillstand unterzeichne und seine Truppen in die Kasernen schicke. Dies kann die Hun- Sen-Regierung aber nur tun, wenn die Roten Khmer ihrerseits Frieden garantieren.

Die Strategie der Roten Khmer besteht nach wie vor darin, gleichzeitig Friedensgespräche und militärische Offensiven zu führen. Dokumente der Organisation aus dem Jahre 1988, lange bevor die fünf ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates sich in Paris auf eine Friedensregelung für Kambodscha einigten, beweisen dies: Dort wird erklärt, die Roten Khmer würden jegliche Friedensbemühungen begrüßen und öffentlich die Entwaffnung aller kämpfenden Gruppen fordern, während sie selbst 75 Prozent ihrer Waffen vergraben würden bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die zu entsendende UNO-Friedenstruppe das Land wieder verlassen hätte.

Die Roten Khmer trauen Sihanouk nicht über den Weg. Sie arbeiten mit ihm nur zusammen, weil sie sich darauf verlassen, daß Sihanouks Finanziers in China ihn immer wieder dazu zwingen, der Linie der Roten Khmer zu folgen. Nach Quellen in Bangkok war es chinesischer Druck, der Sihanouk jetzt dazu bewogen hat, die Präsidentschaft in der Übergangsregierung abzulehnen.

So hängt die Kambodscha-Diplomatie nun völlig in der Luft. Prinz Sihanouk, dem nahestehende Kreise den Wunsch nach einer eigenen Initiative nachsagen, erfreut sich diesen Kreisen zufolge einer „herzlichen Beziehung“ zu Ministerpräsident Hun Sen. Die beiden haben sich mehrmals privat getroffen und Meinungen ausgetauscht. Hun Sen soll sogar eine Einladung Sihanouks angenommen haben, ihn im Juli in seiner Residenz in Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang zu besuchen. Im November soll Sihanouk dann nach Kambodscha reisen — zum ersten Mal, seit die Roten Khmer ihn in den 70er Jahren ins Pekinger Exil zwangen. Dieser Besuch wäre das weitreichendste Ereignis im Friedensprozeß seit der Pariser UNO-Einigung. Aber man kennt den Prinzen — er ändert oft seine Pläne, und den Chinesen würde eine Reise nach Kambodscha gar nicht gefallen.

Nach Meinung der meisten Beobachter gibt es gegenwärtig zwei Wege zum Frieden in Kambodscha. Entweder schließt Sihanouk ein Abkommen mit Hun Sen, das die Roten Khmer im Regen stehenläßt. Aber dafür müßten die Schutzmächte der beiden Seiten, China und Vietnam, ihre Beziehungen stark verbessern. Und dies ist vorerst nicht in Sicht. So bleibt die zweite Option — die Entscheidung auf dem Schlachtfeld.

Wie aus Bangkok verlautet, sollen die Roten Khmer die Bergarbeiter in der westkambodschanischen Pailin- Region vor einer bevorstehenden Regierungsoffensive gewarnt haben. Pailin fiel im Oktober 1989 an die Roten Khmer, kurz nachdem die letzten vietnamesischen Truppen aus Kambodscha abgezogen waren. Die Roten Khmer verdienen viel Geld durch Bergwerk- und Holzschlagkonzessionen an thailändische Firmen. Die jüngste Offensive Phnom Penhs, um Pailin zurückzuerobern, scheiterte vor drei Monaten. Ein hochrangiger Beamter in Phnom Penh gab kürzlich zu, daß Pailin ökonomisch lebenswichtig ist: Die Edelsteine der Region könnten der nahezu bankrotten Regierung eine Atempause verschaffen. So könnte die bevorstehende Schlacht um Pailin die Zukunft Kambodschas entscheiden.

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