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Die grünen Hähne kämpfen nicht mehr

Die neuen Grünen präsentieren sich in Köln: diszipliniert, ruhig und einig/ Weil die Fundis mit den Wasserpistolen fehlen, ist die Stimmung trocken/ Ohne Debatten und ohne Diskussionen bricht die Partei in eine neue Zeit auf  ■ Aus Köln Gerd Nowakowski

Als der hessische Umweltminister Josef Fischer am späten Samstagnachmittag seine kämpferische Rede gegen jeden Einsatz deutscher Soldaten im Ausland beendet hatte und die Delegierten zum ersten Mal auf diesem Parteitag in stürmischen Applaus ausbrachen, da war der emotionale Höhepunkt erreicht.

Der Beifall galt nicht nur dem hessischen Realo. Es schien zugleich, als applaudierten die Delegierten auch sich selbst für den zurückgelegten Weg. In einer Partei, in der es mit der Symbolik selten klappt, war es dem Vorstand gelungen, die Grünen so sinnfällig darzustellen, wie sie sich nach Neumünster sehen wollen: diszipliniert, ruhig und einig im realpolitischen Grundkonsens.

Alle hatten ihre Rolle gut gespielt. Eine Blauhelm-Debatte, die keine war, weil sie nur aus zwei gesetzten Beiträgen bestand: Erst sprach die Parteilinke Angelika Hirschmüller, dann Fischer, der einer als integrativ gemeinten Einladung des Vorstands gefolgt war. Zum guten Schluß die Verabschiedung einer Resolution mit überwältigender Mehrheit — kein weiterer Diskussionsbedarf.

Zwischen den Steilkurven des nur nachlässig zugehängten Holzovals fürs Sechs-Tage-Rennen, wo die rund 540 Delegierten in der Kölner Sporthalle Platz gefunden hatten, wurde im diesem Moment deutlich: Die Grünen haben den Absturz engültig vermieden, die realpolitische Umsteuerung ist gelungen. Welcher einschneidende Neuanfang in Neumünster trotz des zeitweiligen Chaos gelungen war, offenbarte sich vollständig erst in Köln, wo doch nur abgearbeitet werden sollte, was beim ersten Durchgang nicht erledigt werden konnte.

Nichts erinnerte mehr an die so oft erlebten Selbstblockierungen. Es war zugleich so, als ginge wirklich erst in Köln jene Etappe wirklich zuende, die im Herbst 1988 mit dem Sturz des fundamentalistischen Bundesvorstands um Jutta Ditfurth begonnen hatte.

„Ich will den Erfolg dieses Vorstands“, sagte Fischer kurz nach seiner Rede. „Die Partei ist auf einem guten Weg“, fügte der Hesse hinzu. Man habe wieder Tritt gefasst. Er sei bereit, die Unterstützung zu gewähren, die der neue Vorstand brauche, um ins Arbeiten zu kommen. Und das Niederlagengeschrei der Realos nach Neumünster, als man gegen die Linken Ludger Volmer und Christine Weiske im Amt der Sprecher unterlag? Jetzt könne es nur nach vorn gehen; der Blick zurück im Zorn, das wäre schlechte Politik, antwortet Fischer, der auf früheren Parteitagen immer als Mahner drohenden Untergangs auftrat. Er fand auch lobende Worte für die Strukturreform, die weiter gegangen sei als von ihm erwartet. Daß sie deutlich hinter dem zurückgeblieben ist, was er selbst am Tage nach der Niederlage der Grünen bei der Bundestagswahl im Dezember 1990 für mindestnotwendig gefordert hatte, gesteht er augenzwinkernd zu.

Im Gegensatz zu den Repräsentanten des Aufbruchs, die in Köln fast vollständig fehlten, und auch vielen Realo-Frontleuten — von denen auch viele fernblieben —, hat sich der hessische Umweltminister erkennbar auf die neue Lage eingestellt. Er weiß, daß die Realos mit dem neugeschaffenen Länderrat ein machtvolles Instrument zur Hand haben und auch, daß der mit klaren realpolitischen Positionen angetretene Vorstandssprecher Ludger Volmer, zugleich Wortführer des Linken Forums, mit seiner proklamierten Integrationsstrategie einen schwierigen Part übernommen hat. Erfolgreich kann Ludger Volmer, der in seinem Balanceakt auch die Parteilinke im Auge halten und befrieden muß, nur mit den Realos sein.

„In bester Verfassung“, wie es als Leitmotto ungewollt selbstironisch hieß, sind die Grünen nicht. Die politische Interventionsfähigkeit müssen sie erst noch zurückgewinnen.

Dafür aber erledigten sie auf dem langweiligsten Parteitag ihrer Geschichte, diszipliniert wie nie zuvor, die Tagesordnung. Statt wie bislang gewohnt, Stunden hinter dem Zeitplan zurückzuliegen, eilten sie am Samstagabend dem Zeittableau voraus. In der Verfassungsdebatte gab es nur gesetzte Beiträge, der Antrag auf weitere Diskussion wurde mit großer Mehrheit abgelehnt. Glatt abgebügelt wurde auch der Antrag, über die Situation in den neuen Bundesländern zu sprechen: Dazu soll es einen eigenen Kongreß im Herbst geben. Gelassener Pragmatismus, der jedem SPD-Parteitag Ehre machen würde, herrschte auch, als die letzten Versatzstücke der Strukturreform behandelt wurden. Deuteten sich Schwierigkeiten an, wie bei der Urabstimmungsprozedur, wurden sie souverän auf den nächsten Parteitag verschoben.

Ebenso glatt verlief die Wahl der politischen Geschäftsführerin, die neben den beiden Sprechern die Partei nach außen vertreten soll und zugleich die Ebenen der Partei vernetzten soll. Die einzige Kandidatin, die bis Neumünster amtierende Vorstandssprecherin Heide Rühle, erhielt im ersten Wahlgang eine überwältigende Mehrheit. Fast händeringend wurde vom Präsidium um Wortmeldungen für eine „Personaldebatte“ gebeten. Magere drei Fragen kamen zusammen. Heide Rühle, die von den Realos als den Linken nahestehend eingestuft wird, pries sich denen als unabhängige Reala an, die sich lediglich von deren Machtpolitik abgestoßen fühlt und deshalb „lieber zwischen allen Stühlen sitzt“. Die Realos hatten keine Kandidatin aufgestellt. Er habe immer die Ansicht vertreten, der Geschäftsführer müsse das Vertrauen des Vorstands genießen, um erfolgreich arbeiten zu können, merkte Fischer dazu an. Eine eigene Realo-Kandidatin hätte Konfrontation im Vorstand bedeutet, zumindest Fischer hat daran kein Interesse. Und einem Journalisten, der sich über die Langeweile beklagt, entgegnet Fischer, es sei ebenso ein Irrtum, daß spannende Parteitage positive Auswirkungen auf Wahlen habe, wie langweilige Parteitage negative Nachwirkungen.

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