piwik no script img

Bremer Joghurtbecher nach Übersee?

■ MüllexpertInnen diskutieren über privates Recyclingsystem

Werden demnächst Cola-Dosen, Plastikpackungen für Kekse, Joghurtbecher und Sardinenbüchsen sinnvoll wiederverwendet, wenn die umweltbewußten BremerInnen ihren Verpackungsmüll im Laden lassen oder in die neuen Container werfen? Kann der Müllberg durch die vor zwei Monaten vom Bundesrat verabschiedete Verpackungs-Verordnung tatsächlich verringert werden? Um diese Fragen ging es gestern in einer Diskussionsveranstaltung der Angestellten-Kammer Bremen. Titel: „Töpfers Verpackungsverordnung und ihre Folgen“.

Petra Rob, Pressesprecherin der Firma „Duales System Deutschland“, bemühte sich auf dem Podium redlich, die in der Diskussion vorherrschende Skepsis zu zerstreuen und eine goldene Recycling-Zukunft zu zeichnen. Sie hatte nur geringen Erfolg.

Duales System, eine von 400 Unternehmen des Handels, der Verpackungs- und Konsumgüterindstrie gegründete Gesellschaft, ist der zentrale Baustein des neuen, privaten Müllrecyclings. Bis 1995 soll das duale System laut Verpackungsverordnung 80 Prozent aller Verpackungen sammeln, die sonst auf den Deponien und in der Müllverbrennung landen würden. Davon wiederum sollen knapp 70 Prozent aufgearbeitet und wiederverwendet werden.

Wie könnte das in Bremen funktionieren? Petra Rob: „Wir haben kein starres Modell. In Bremen könnte zum Beispiel zu der normalen Hausmülltonne und der Biotonne noch ein dritter Behälter an jedem Haushalt dazukommen.“ Die HausbewohnerInnen würden ihre Metallabfälle und Kunststoffreste dort hineinwerfen. Rob schlug weiterhin vor, leere Glasflaschen und Altpapier, wie heute auch, in den grünen und blauen Containern auf öffentlichen Plätzen zu sammeln.

Die in Bonn ansässige Duale System GmbH will dabei die normale städtische Müllabfuhr in das neue Verpackungs-Recycling einbeziehen. Im Unterschied zu heute allerdings werden dann die Fuhrämter von der privatwirtschaftlichen Müllindustrie abhängig sein und ihre Aufträge bekommen, wenn sie billig genug arbeiten. Stefanie Nöthel vom Niedersächischen Umweltministerium befürchtete, daß sich die kommunale Müllwirtschaft nur schwer auf die neuen Verhältnisse wird einstellen können. Wolfgang Bonberg von der Bremer Umweltbehörde wehrte sich vehement dagegen, daß die Bremer Recycling-Höfe überflüssig werden könnten.

Und was passiert mit der Verpackungslawine, wenn die BremerInnen jeden Becher und jede Folie in die dafür vorgesehenen Behältnisse geworfen haben? Da geriet Recycling-Fachfrau Petra Rob immer mehr ins Schleudern. Die tatsächliche Verwertung durch das duale System sei nur schwer zu kontrollieren, meinte Stefanie Nöthel. Ein großer Teil der Kunststoff-Verpackungen sei ohnehin nicht mehr aufzuarbeiten, weil zuviele verschiedene Substanzen in einem Gemisch zusammengebraut seien, gab Heribert Wefers vom Bremer Institut für Umweltchemie zu bedenken.

Der ebenfalls auf dem Podium sitzende Reycling-Jungunternehmer Erwin Meyer hatte einen eigenwilligen Vorschlag, die zurückgewonnenen Sekundär-Rohstoffe auf den Markt zu bringen: „Hier ist der Altpapier-Markt wegen des großen Angebotes schon fast zusammengebrochen. Wir könnten Altpapier zum Beispiel nach Asien exportieren. Dort gibt es immer mehr Menschen und die wollen auch immer mehr lesen.“

Außer Petra Rob und Erwin Meyer waren sich Podium und Publikum im wesentlichen einig: Verpackungs-Verordnung und duales System bringen kaum einen Fortschritt in der Müllvermeidung, sondern leiten die Abfallströme in privatwirtschaftliche Kanäle, die heute kaum abzuschätzen sind. och

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen