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NORA contra NDR

Berlin (afp) — Bis heute reicht die Geduld der Länder Brandenburg und Berlin. Spätestens heute soll ihr nördlicher Nachbar Mecklenburg-Vorpommern Flagge zeigen in der Rundfunkpolitik. Die Landesregierung Schwerin muß sich entscheiden, ob das Land als drittes bei einem neuzugründenden Nordostdeutschen Rundfunk mitmachen oder als viertes neben Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) einsteigen will.

Am Mittwoch will Brandenburg den Staatsvertrag in den Potsdamer Landtag einbringen. Kann Schwerin sich zuvor nicht entscheiden, so wollen Berlin und Brandenburg über eine Zweiländeranstalt diskutieren oder jeweils eigene Wege gehen. Der Staatsvertrag für die neue Dreiländeranstalt ist nach Angaben des Berliner Senats bereits so gut wie ausgefeilt. Als Name setzt sich immer mehr das weibliche Kürzel „NORA“ (Nordostdeutsche Rundfunkanstalt) anstelle des strengen „NOR“ durch.

Das NORA-Modell sieht eine dezentralisierte Anstalt vor. Intendanz, Chefredaktion und aktuelle Fernsehsendungen sollen in Berlin ihren Sitz haben. In Potsdam sollen der TV-Direktor sowie die Spielfilm- und Unterhaltungsproduktion angesiedelt werden. Dafür bieten sich Teile der DEFA, des einstigen „DDR-Hollywood“, in Potsdam-Babelsberg an. Schwerin wird mit dem Sitz des Hörfunkdirektors und des Vize-Intendanten umworben. Jedes Land soll zudem ein eigenes Landesfunkhaus bekommen. Strittig ist noch der Modus zur Ernennung der Landesfunkhausdirektoren. Berlin möchte die Wahl durch die Rundfunkräte vom Einverständnis des Intendanten abhängig machen.

Die Gründung der NORA hätte einmalige Folgen für eine altgediente ARD-Anstalt: Der Sender Freies Berlin (SFB) müßte quasi abgewickelt werden. Bisher war dieses Schicksal nur ehemaligen DDR- Rundfunkhäusern zuteil geworden. Nach dem Staatsvertrag-Entwurf soll die NORA zwar die Rechtsnachfolge des SFB antreten, der dazu jedoch erst eine drastische Schlankheitskur vornehmen muß. Der SFB, der 1990 noch mit einem Minus von 112 Millionen Mark abschloß, muß sein Personal von knapp 1.500 MitarbeiterInnen um ein Drittel reduzieren. Vergleichbare Schrumpfkuren hat es beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland nie gegeben. Eindeutiger Verlierer wäre jedoch der (Ost-)Berliner Rundfunk, für den neben einem bereits abgemagerten SFB kein Platz mehr bei NORA wäre.

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