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Plaste und Elaste entsorgt

■ Frankfurter Unternehmen will Betriebsgelände in Schkopau sanieren

Frankfurt/Berlin (ap/taz) — Die Frankfurter Industrieanlagenbauer Lurgi und das ostdeutsche Chemieunternahmen Buna wollen das verseuchte Werksgelände des Schkopauer Unternehmens gemeinsam vornehmen. Das gab die Lurgi am Montag in Frankfurt bekannt. Ende Mai sei eine entsprechende Rahmenvereinbarung zur ökologischen Sanierung unterzeichnet worden. Aus dieser Zusammenarbeit solle in naher Zukunft eine Umwelt-Ingenieur- GmbH als Betreibergesellschaft für ein Sanierungszentrum in Sachsen- Anhalt hervorgehen. Mehrere hundertausend Tonnen kontaminierten Bodens sollen in den nächsten Jahren entseucht werden.

Die politische Prominenz der Bundesrepublik ist im Chemiedreieck der alten DDR schon des öfteren aufgekreuzt, um sich ein Bild von den lecken Leitungen, faulenden Kesseln, tropfenden Säurebecken zu machen. Kanzler Kohl, zu Beginn seiner Laufbahn Industrielobbyist für die Chemiebranche, ließ sich Anfang Mai aus alter Verbundenheit vom IG-Chemie-Vorsitzenden Hermann Rappe durch das Buna-Werk in Bitterfeld führen. Der gesamte Buna-Konzern wird voraussichtlich von früher 27.000 Beschäftigten bis Jahresende auf 8.000 Beschäftigte heruntergefahren. Und Bundespräsident von Weizsäcker kreuzte in den Leuna-Werken auf, für die jetzt von der Treuhand die Pläne auf den Tisch gelegt wurden. Die Industriegewerkschaft Chemie, die sich für den Erhalt der diversen Industriestandorte Mitteldeutschlands einsetzt, rechnete im Mai mit einem Abbau von früher 30.000 auf 13.000 Arbeitsplätze. Insgesamt werden im Bereich ihrer Verwaltungsstelle Merseburg, die die wichtigsten Standorte der ostdeutschen Chemieindustrie umfaßt, schon jetzt 17.000 Arbeitslose und 70.000 Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter gezählt. Viele davon sind auf Kurzarbeit Null gesetzt und können sich keine realistische Hoffnung machen, jemals wieder in den Arbeitsprozeß zurückzukehren.

Nach früheren Aussagen der Treuhand ist die Großchemie Ostdeutschlands auf nahezu keinem Gebiet wettbewerbsfähig. Wenn man von den einst 100.000 Arbeitsplätzen rund 35.000 retten will, ergibt sich ein Gesamtaufwand für die Abdeckung der laufenden Verluste, für notwendige Investitionen und Sozialplanaufwendungen von etwa vier Milliarden Mark. Darin sind die Kosten einer dringend notwendigen ökologischen Sanierung noch nicht enthalten, die nach einer früheren Entscheidung der Bundesregierung vom Staat übernommen werden, weil den westlichen Konzernen nicht jeder Investitionsanreiz an den traditionsreichen Chemiestandorten Ostdeutschlands ausgetrieben werden sollte.

Die Chemieindustrie der ehemaligen DDR hat einmal 335.000 Menschen beschäftigt und ein Fünftel des gesamten Industrieumsatzes der DDR erwirtschaftet, aber gleichzeitig auch einen mindestens ebensogroßen Anteil am Territorium der ehemaligen DDR zum ökologischen Notstandsgebiet gemacht. 1990 waren die Hälfte aller Gebäude älter als 25 Jahre und 55 Prozent aller Industrieanlagen älter als 15 Jahre.

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