: Kein Dialog mit der Knastbürokratie
■ Zum Jahrestag der Knastrevolte in Santa Fu
Der Gefangenenstreik von Santa-Fu jährte sich am 28.5.91 zum ersten Mal. Was hat er den Gefangenen gebracht?
Etlichen Gefangenen, inbesondere denen, die der Justiz schon immer ein Dorn im Auge waren, steht ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft bei dem Hamburgischen Oberlandesgericht — Aktenzeichen 2 OJs 12/90 — wegen „Verdachts der Nötigung von Verfassungsorganen nach Paragraph 106 Abs.1 Nr. 2 c StGB und anderer Delikte“ in die Zelle.
Von den am Streik beteiligten ausländischen Gefangenen hat man nichts mehr gesehen oder gehört. Dutzende andere — deutsche — Gefangene sind montelang im Untersuchungsgefängnis in Isohaft gehalten worden, alle unter absolut menschenverachtenden Umständen, wobei sie von den Justizbediensteten während der ganzen Zeit vorsätzlich belogen und verarscht wurden. Das alles wurde offensichtlich von der Curilla-Behörde initiiert und gedeckt, denn diese hat, wider besseres Wissen, nie etwas dagegen unternommen.
Bis auf einige wenige, die sich mit einer Verlegung in einen ihnen genehmen Knast einverstanden erklärt haben, wurden die Gefangenen nach und nach aus dem Untersuchungsgefängnis — ausdrücklich gegen ihren Willen und obwohl sie ihr ganzes soziales Umfeld in Hamburg haben — in andere Knäste abgekarrt; entweder an den Arsch der Welt, wie hier nach Neuengamme oder gleich in andere Bundesländer. Geändert hat sich daran bis heute nichts.
Zusammenfassend muß man feststellen, daß die Gefangenen, die genug Mut bewiesen haben, für die Verbesserung der beschissenen Situation in den bonzenrepublikanischen Knästen auf die Dächer zu gehen, von der Justiz nach allen Regeln der psychologischen Kriegsführung erniedrigt wurden und werden; sie sollten und sollen gebrochen werden.
Es lohnt überhaupt nicht, sich mit den Leuten (externe und Knackis) auseinanderzusetzen, die permanent nach mehr Schreibtischtätern jeglicher Art in den Knästen schreien, da sich dadurch angeblich die „Resozialisierung“ überhaupt erst — oder besser — verwirklichen läßt.
Die von den Justizbehörden hauptsächlich in den letzten 20 Jahren emsig vorangetriebene Pädagogisierung des Knastapparates hat keinesfalls den Gefangenen und ihrem sogenannten Umfeld — also den Angehörigen, Freunden und Bekannten — gedient. Schizophren muß doch offensichtlich sein, wer allen Ernstes annimmt, in absolut sozialfeindlicher Umgebung, nämlich in den Knästen, werde den dort Eingeknasteten von den von der Justiz besoldeten Schreibtischtätern „geholfen“, sich zu „resozialisieren“!
Vor allem sollte man/frau sich davor hüten, „Gespräche“ mit Pfaffen, Sozialarbeitern, Psychologen, Juristen und anderen Schreibtischtätern des Knastapparates zu führen; am besten solche Leute ganz vermeiden. Dringendst abgeraten werden muß auch vor Kontakten jedweder Art mit Einzelpersonen oder Initiativen, welche unter dem Deckmäntelchen des „humanen“ Strafvollzuges Maßnahmen starten beziehungsweise unterstützen, wie zum Beispiel letztens die Amnestiedebatte zum 3.Oktober oder auch die Forderung nach „Tariflohn“ — besonders hervorgebracht von einigen „Gefangenenorganisationen“ für Knastarbeit.
Die Justizbürokratie wird mit Sicherheit einen Dreh finden, sollte es denn jemals in den bundesrepublikanischen Knästen zu einem sogenannten „Tariflohn“ für Gefangene kommen, den Gefangenen das Geld zum Beispiel durch einen „Haftkostenbeiträg“ oder ähnliche Forderungen größtenteils wieder abzunehmen.
Die Alternative zum Knast, und zwar zum Knast überhaupt, das gilt für alle Gefangenen, egal ob weiblich oder männlich (oder auch transsexuell), Untersuchungshäftling oder Strafgefangene/r, SVer oder wie die Haftart offiziell auch immer lauten mag, kann nur eine konsequente, von der Justiz unbeeinflußbare Verweigerungshaltung für die gesamte Dauer der Haftzeit in Form das passiven Widerstandes sein!
Inbesondere Versprechungen wie zum Beispiel vorzeitige Entlassung, Ausgang, Urlaub und so weiter sind als Korrumpierung der Persönlichkeit strikt abzulehnen! Die bedingungslose und sofortige Entlassung ist immer akzeptabel! Mirko Wollmann, zur Zeit
Knastanstalt Neuengamme
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