piwik no script img

Vorauseilende Nostalgie

■ Wilhelm Schürmann und Giganten der Fotografiegeschichte: Doppelausstellung im „Fotoforum“

Was ist trivialer als das abgesperrte Wartehäuschen einer Buslinie in der Nähe von sagen wir Köln-Nippes? Was trostloser als ein Güterbahnhof? Ein Parkplatz?

Wilhelm Schürmann dokumentiert als Fotograf deprimierende Aspekte von Urbanität und urbaner Architektur. Seine jetzt im Fotoforum gezeigten Aufnahmen aus dem Rhein-Ruhr-Raum bilden auf öde Weise Ödes ab. Eine Autobahnauffahrt etwa mit Plakat, worauf noch „...das nötig“ zu lesen ist. Scheinbar zufällige Bilder, ohne erkennbare Liebe zum Sujet.

Wobei hin und wieder Mühe erkennbar wird: Winzige Hochhäuser zwischen Wartehäuschendach und —wand stellen den Bezug her; am Umbau der Kaufhalle (“Der Verkauf geht weiter“) streben je zwei mutmaßliche Zwillinge in entgegengesetzte Richtung. Erwähnen muß man noch „Nr.99“, ein vollkommem unglaubliches Haus: Alles ist schief an ihm, das Schiefste sind die beiden frisch eingemauerten Fenster. Eine Trouvaille. Die Ausstellung verläßt man deprimiert und ahnt doch, in einigen Jahren werden uns die Bilder nostalgisch stimmen.

Wilhelm Schürmann (Jahrgang 1946) ist nicht nur Fotograf: Er ist Kunstsammler und freier Ausstellungsmacher, war Galerist (Schürmann & Kicken) und bekleidet ein Hochschullehreramt für Fotografie in Aachen.

In letzterer Eigenschaft hat er neben seine eigenen Bilder eine Sammlung von wichtigen FotografInnen des Jahrhunderts gehängt, die er für das Fotoforum zusammengestellt hat. Hier begegnet man dem bekannten Picasso-Porträt von Irving Penn mit viel Hut, Kragen und Augen. Oder einem Warhol (“Four Dogs“); Prozess-Fotos von Weegee; August Sanders „Deutsche Lehrer und Pädagogen“; Lerry Clerks Teenager-Sex-Bilder aus den 70ern; Karl Blossfelds pflanzliche Archetypen aus „Urformen der Kunst“.

„Ikonen der Fotografie dieses Jahrhunderts“: eine didaktische Schau. Unmittelbare Beziehungen zum Fotografen Schürmann sind nicht ersichtlich. Bus

Die Doppelausstellung ist im Fotoforum Böttcherstraße bis zum 10.Juli anzusehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen