: Die Wendekommunisten überleben
■ Albaniens Kommunisten stehen noch lange nicht vor dem Ende
Die Wendekommunisten überleben Albaniens Kommunisten stehen noch lange nicht vor dem Ende
Auf dem Parteikongreß der albanischen Kommunisten läuft der erste Akt des schon aus Bulgarien und Serbien bekannten Verwandlungsrituals ab: Umbenennung bei gleichzeitigem Versuch, das Dogma zu retten, Opferung einiger Erzpriester, aber Verteidigung des Stifters wie des Klerus, ökumenische Gesten gegenüber den Andersgläubigen, aber Fortsetzung des Monopolanspruchs auf Führung und Wahrheit. Im zweiten Akt werden die Liquidatoren in Aktion treten. Der Schlußakt ist noch ungeschrieben. So rituell wie diese Vorstellungen ist der sie begleitende Chor der Demokraten, die uns stets aufs neue versichern, die Kommunisten seien total bankrott, lebende Leichname, ohne soziale Basis. Mittlerweile wissen wir, daß die mutierten Realsozialisten selbst in Polen zehn Prozent der Wählerstimmen halten. Die sozialen Zumutungen der Umwälzung Richtung Marktwirtschaft und die sie begleitende neoliberale Rhetorik stärken zwar in erster Linie das Lager der völkischen Populisten, aber auch den Wendesozialisten erschließen sich neue Reserven.
Diese Erfahrungen erlauben die Prognose, daß die albanischen Kommunisten von ihrem Ende noch weit entfernt sind. Ihnen steht, wenn auch ohne Parteifunktionen, mit Ramiz Alia ein fähiger Politiker zur Seite, der in den Auseinandersetzungen mit der Sowjetunion und China Kaltblütigkeit und Mut bewiesen hat. Die frischgebackene Sozialistische Partei wird die historischen Erfolge ihrer Vorgängerin im antifaschistischen Freiheitskampf an ihre Fahnen heften. Die Unterdrückung der Albaner im Kosova wird dafür sorgen, daß die nationalen Leidenschaften soziale Auseinandersetzungen ebenso übertönen werden wie die Forderung nach radikaler Demokratisierung. Das wird die Chance einer Partei sein, deren letztes Credo, dem Marxismus-Leninismus zum Trotz, immer die nationale Unabhängigkeit Albaniens war.
Für das Überleben der Wendekommunisten spricht in Albanien mehr noch als im ehemaligen „Ostblock“ die Schwäche der Oppositionsparteien und der sie tragenden Schichten. Selbst in Ostmitteleuropa bildet sich erst allmählich jene neue Mittelklasse heraus, deren ökonomische Dynamik Voraussetzung eines neuen Parteibildungsprozesses wäre. Allzuoft leben die neuen Parteien nur vom verbrauchten Ideengut der Zwischenkriegszeit, sind sie Werkzeuge kurzatmiger Demagogen. Sie werden vom Wahlvolk mit Mißtrauen beäugt, selbst wenn sie bei den Wahlen reüssieren. Das trifft auch auf die Parteineugründungen in Albanien zu, die zudem noch im Verdacht stehen, von Hoxhas Enkeln aus der Taufe gehoben worden zu sein, um die Herrschaft der Machtelite mit anderen Mitteln fortzusetzen. Christian Semler
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