INTERVIEW
: „Niemand ist bereit, seine Schuld zuzugeben“

■ Ardian Klosi, Schriftsteller und engagierter Demokrat, nimmt zur Koalitionsregierung und zum KP-Parteitag Stellung

taz: Was ist von dem neuen Ministerpräsidenten Buffi zu halten?

Klosi: Buffi stammt aus der jüngeren Generation der Vierzigjährigen, er ist gut ausgebildet, weniger Ideologe als Technokrat. Vor den Wahlen war er stellvertretender Minister.

Seine Karriere beeinflußt hat die Tatsache, daß sein Vater, ein lokaler Funktionär, wegen irgendeiner der üblichen Intrigen abgesetzt wurde, schließlich aber rehabilitiert werden mußte. Dadurch wurde der Name Buffi bekannt, politisch kann man über den Sohn bisher nichts sagen.

Wie schätzen Sie die Tatsache ein, daß eine Koalitionsregierung zusammen mit den bisherigen Oppositionsparteien gebildet wurde?

Es ist sehr gut, daß die Demokratische Partei ihre Vertreter in der Regierung hat, obwohl sie in der Minderheit sind.

Wichtig ist, daß die Schlüsselposition des stellvertetenden Ministerpräsidenten von der Demokratischen Partei besetzt wird.

Die Kommunisten sind einfach auf die Opposition angewiesen, ihr Ansehen nimmt täglich ab, auf mich machen sie den Eindruck eines Sterbenden.

Waren alle Regierungsmitglieder der Demokratischen Partei früher in der Arbeiterpartei?

Fast alle. Wenn nicht, dann waren sie doch zumindest etabliert. Der Chef der Demokraten war Parteisekretär des Krankenhauses in Tirana, das heißt, er war Leibarzt von Hoxha und Alia.

Eigentlich gibt es wenig Unterschiede zwischen den Kommunisten und den Mitgliedern der „DP“. Letztere sind jünger und haben die Wende rechtzeitig vollzogen, schon während der Studentenproteste. Sie haben diese Proteste ausgenützt, um an die Spitze zu kommen.

Natürlich gibt es auch viel Ehrlichkeit und Idealismus, das heißt, es gab und gibt auch ernsthafte Opposition.

Wie beurteilen Sie den „Enthoxhaisierungsprozeß“ auf dem laufenden Parteitag der albanischen Kommunisten?

Die KP versucht bei diesem Parteitag die Schuld auf ein paar zum Abschuß freigegebene alte Funktionäre abzuschieben. Das heißt, sie verurteit nicht die Hauptverantwortlichen, also Hoxha, seine Witwe und seinen Vertrauten Ramiz Alia. Dadurch soll die Öffentlichkeit getäuscht werden.

Andererseits hat einer der Delegierten, der Vorsitzende des Schriftstellerverbandes, Driero Agoli, gestern einen Skandal verursacht, indem er die Wahrheit deutlich aussprach. Er sagte, daß die Hauptverantwortlichen ganz oben waren, drei Kulte geschafffen wurden: Hodscha-Kult, Kult der Arbeiterpartei und Kult des Geheimdienstes.

Wo steht die Mehrheit der Delegierten?

Agoli wurde unterbrochen und es gab laute Hoxha-Rufe. Die Delegierten sind wankelmütig, denn sie haben Angst. Vor allem die Provinz-Delegierten sind konservativ.

Die Partei muß einen neuen Weg finden, doch die alte Politik beherrscht sie weiterhin. Keiner ist bereit, Verantwortung und Schuld zu übernehmen. Aber sie sollen sich nicht täuschen, die Menschen werden sie noch zur Rechenschaft ziehen.

Gibt es um Agoli eine Gruppierung?

Es gibt zwar einen linken Flügel, doch viele seiner Anhänger sind schon zu den Sozialdemokraten übergewechselt. Agoli ist ein Einzelgänger, ebenfalls wankelmütig, wie Kadare. Beide sind befreundet, beide haben sowohl Parteikritisches als auch Parteihuldigungen geschrieben. Es gibt aber keine geschlossene Opposition in der Partei.

Sind die Arbeiter mit dem Ergebnis der Streiks und der neuen Regierung zufrieden?

Nein, überhaupt nicht. Die Lohnerhöhung kann nicht mit den Preissteigerungen mithalten. Deshalb formiert sich im Augenblick eine neue, rechte Partei, die sich „Christlich-islamische Volkspartei“ nennt. Sie hat gestern Flugblätter gegen den Kompromiß verteilt.

Sie will Vertreterin der beiden großen Religionen in Albanien sein und sich scharf von den Kommunisten abgrenzen. Sie hat große Chancen, eine starke Partei zu werden. Bisher haben die Kommunisten versucht, ihre Registrierung zu verhindern. Interview: Sabine Herre