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Faulschlamm: Angepaßte Technologie aus Bremen

■ Bremer Institut fördert Biogas-Nutzung in der „3. Welt“

Auf den ersten Blick ein im wahrsten Sinne des Wortes „anrüchiges“ Ansinnen: Bremische und chinesische ExpertInnen wollen sich mit den verfaulten Überresten menschlicher und tierischer Fäkalien beschäftigen. Und das soll auch noch bremisches Geld kosten. Mit Unterstützung des Bremer Landesamtes für Entwicklungszusammenarbeit hat die Arbeitsgemeinschaft für Überseeforschung und —entwicklung (Borda) einen Antrag in die Wirtschaftsdeputation der Bürgerschaft eingebracht, die nächste Woche darüber entscheiden muß. 30.000 Mark soll der Senat in die Düngung chinesischer Felder mit Faulschlamm investieren.

Auf den zweiten Blick entpuppt sich das Ansinnen der in Bremen ansässigen Borda als Teil der typisch bremischen Entwicklungs- Politik. Der Leiter des Landesamtes für Entwicklung, Gunther Hilliges: „Wir arbeiten mit der Borda seit Jahren eng zusammen und versuchen, die Biogas-Technologie in der sogenannten „Dritten Welt“ zu fördern.“

Mittlerweile, so Hilliges, arbeiten auf der ganzen Welt — besonders in den Ländern Asiens, Afrikas und Südamerikas - bereits fünf Millionen Biogas-Anlagen. Diese Technologie ist oft ein Ausweg aus dem Kreislauf von Armut und Umweltzerstörung.

In dem luftdicht abgeschlossenen „Faulraum“ einer Biogas- Anlage zersetzen sich die Fäkalien von Menschen und Tieren — auch Lebensmittelreste sind ein willkommenes Futter für die Bakterien — zu Biogas, das dann als billiger Energieträger zum Kochen oder zur Stromherstellung für Licht und Motoren benutzt werden kann. Häufig ist es deshalb für die Landbevölkerung nicht mehr notwendig, die Wälder abzuholzen, um Brennholz zu gewinnen.

Auf dem Sektor der Biogas-Erzeugung stellt die Borda den Partner-Organisationen in Asien, Afrika und Lateinamerika ihr technisches Wissen zur Verfügung, organisiert einen Teil der Finanzen und führt Ausbildungs- Lehrgänge durch. Prinzip ist dabei, so Gunther Hilliges: „Die Technik darf die Bevölkerung, die wir unterstützen, nicht weiter abhängig machen. Wir achten darauf, daß die Grundmaterialen aus dem Lande selbst kommen und nicht importiert werden.“

Ein Baustein in der Ausnützung der Biogas-Energie fehlte bislang allerdings noch. Ulrich Reeps, Geschäftsführer der Borda: „Der Faulschlamm, der in den Biogas-Anlagen entsteht, wurde bisher vernachlässigt. Der kann zum Beispiel zum Düngen der Felder verwendet werden.“

Und eben die Wirkung des Faulschlamms für das Pflanzenwachstum soll demnächst in China untersucht werden, wenn die Deputation das Geld bewilligt. Gunther Hilliges, Ulrich Reep und ihre Bremer MitstreiterInnen möchten darüberhinaus 1994 Biogas-ExpertInnen aus China, Indien und Europa zusammenbringen, denn dort wurden die meisten Erfahrungen mit der Düngung durch Faulschlamm gesammelt. Besonders in China ist diese Methode schon seit Jahrhunderten in die Landwirtschaft integriert.

Ludwig Sasse, ein Ingenieur der Borda, nennt ein Beispiel: Ein großer Schweinemast-Betrieb in China erzeugt durch die Zersetzung der Schweinegülle in einer Biogas-Anlage die elektrische Energie, die notwendig ist, um die Felder zu düngen. Denn die liegen in hügeligem Gelände. Mit dem selbsterzeugten Strom wird der Faulschlamm die Hügel hinauf gepumpt und fließt dann von oben durch die Felder ins Tal. och

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