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Ungeweinte Tränen

■ Die letzte Ausstellung in der Eisenhalle

It's all over now, baby blue. Oder, mit anderen Worten ausgedrückt, während dieser Bericht gelesen wird, versickert in der Charlottenburger Eisenhalle gleichsam der Quell jenes besonderen Schöpfertums, das nur in den Nischen, wie sie diese ehemalige Experimentierinsel in Berlin für drei Jahre war, aufblühen konnte.

Der Mietpreis wird nun um ein vierfaches erhöht. Das wird die fünfköpfige Künstlergruppe, die bisher die Kosten der Halle aus eigenen Mitteln bestritt, nicht finanzieren können. Im Hinterhof des Objekts befinden sich diverse Teppich- oder Möbelhändler, die starkes Interesse zeigen, die Galerie in ein Filzrollen- oder Fettstuhllager à la Beuys zu verwandeln. Ganz abgesehen von den in unmittelbarer Nähe auf der Lauer liegenden Autoreparaturwerkstätten, die nur allzu gerne ihren alten Wirkungskreis zurückerobern würden.

Noch aber hält die Poesie Widerpart gegen die neue marktwirtschaftliche Expansion. Der Bildhauer Rainer Fest präsentierte sich hier zum Abschluß mit einer insgesamt stimmigen Installation. Drei große Sterne, der eine groß und senkrecht, die anderen als liegende Form, bilden mit der kargen Intensität des Zen-Buddhismus ein meditatives Ambiente. Gespeist aus einem Wasserhahn ergießt sich das Rinnsal über aufgeblockte, bearbeitete Findlinge aus Basalt und Labradorgestein. Spiegelnde Flächen wechseln ab mit feuchten Flecken im rauhen, porösen Rohling. Schließlich ergießt sich das Wasser über den abschüssigen, aufgeplatzten und ölverschmierten Estrich der vorherigen Autowerkstatt in den Abfluß. Ein Schwachpunkt ist vielleicht das jeweils hinter den Steinen hervorragende Leitungsrohr, welches den Objekten das Gepräge von Gartenbauarchitektur verleiht.

In einem nach hinten gelegenen kleinen Raum liegen in einem Sarkophag-ähnlichen Gebilde Konstruktionspläne des Künstlers zur Ansicht aus. Eine lyrische Seele meinte bei der Eröffnung, »das Wasser fließt wie Tränen, die nicht geweint werden«, und eine junge Frau warf eine Blume in den Wasserstrom, der durch eine der Skulpturen sich ergoß. Die Stimmung der Künstler war melancholisch bis resignativ. Verständlich, wenn man weiß, daß selbst ein Brief von Kultursenator Roloff- Momin höchstpersönlich verfaßt, der sich für den Erhalt dieser doch wichtigen Kunststätte einsetzte, beim Eigentümer der Eisenhalle kein positives Echo fand. Auch fanden sich keine Sponsoren, die als Träger des Projektes hätten fungieren können. Quo vadis, Eisenhalle? Mark Schneider

Alles fließt, bis 30. Juni in der Eisenhalle, Joachim-Friedrich- Straße 37, Berlin 12, Do, Fr 17—20 Uhr, Sa, So 13—15 Uhr.

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